Freitag, 26. Juni 2015

Polizeigewalt im Rahmen des Besuchs der Queen - Eine Stellungnahme


Im Internet kursiert derzeit ein Video, das die gewaltvolle Festnahme zweier junger Männer zeigt, die angeblich vorher versucht haben, über eine Absperrung wegen des Besuchs der Queen in Frankfurt zu springen.


Auf dem Video ist zu sehen, dass die Personen offensichtlich schon festgesetzt sind und keine Anstalten machen wegzurennen. Sichtbar ist einzig eine verbale Auseinandersetzung auf die ein Polizist mit einem Griff an die Kehle des jungen Mannes reagiert. Der Rest der Polizisten stürzt sich anschließend auf die beiden Festgesetzten. Die jungen Männer werden zu Boden gedrückt, umgetreten, mit dem Kopf gegen die Wand gedrückt und geschlagen.
Auch nach Abgleich mit der Pressemitteilung der Polizei, die auf diese Vorkommnisse reagierte (http://tinyurl.com/pncayxn), ist keine Notwendigkeit unmittelbaren Zwang anzuwenden erkennbar. Für uns sieht das vielmehr nach Folter aus: Wenn Personen in Polizeigewahrsam ohne sachlichen Grund, wie etwa Fluchtgefahr, körperlich gemaßregelt werden, ist das Folter.

Das Recht körperlich unversehrt zu sein, dass von der Polizei – trotz massiver Schutzkleidung – in Form eines Schutzparagraphen speziell für Polizisten (s. hierzu akj ffm: http://tinyurl.com/pe6k97d) immer wieder in besonderem Maße eingefordert wird, gilt auch für festgesetzte Personen. Es wird auch nicht davon ausgehebelt, wenn folgende Beschreibung der Polizei zutrifft:

Die beiden Festgenommenen versuchten kurz zuvor die Absperrung zum geschützten Innenbereich anlässlich des Besuchs der englischen Königin zu übersteigen (…). In der Folge wurden die Beamten vor Ort von den beiden polizeilich bekannten Personen aufs übelste beleidigt. „Hurensöhne“ soll nur ein Beispiel für die zahlreichen Beleidigungen sein.
Beide begegneten den polizeilichen Anordnungen sehr widerwillig und pöbelten auch weiterhin ununterbrochen gegen die Beamten. Einer der Männer verweigerte seine Ausweispapiere gänzlich und drohte den Beamten.
“ (PM der Polizei Frankfurt)
Die Polizei Frankfurt beschreibt auch einen Schlag durch einen der Festgesetzten ins Gesicht eines Polizisten. Dies ist für uns nach Betrachten des Videos eher unwahrscheinlich.

Es sieht so aus, als würde die Polizei mit körperlicher Gewalt unerwünschtes Verhalten sanktionieren. Der Polizei obliegt es als ausführende Gewalt aber nun mal nicht, abweichendes Verhalten zu sanktionieren – dies ist immer noch Aufgabe von Gerichten.

Warum die Polizeiführung in ihrer Pressemitteilung davon ausgeht, dieses Verhalten von Polizeibeamten legitimieren zu müssen, ist nicht verständlich. Wer so etwas unterstützt und deckt, muss sich nicht wundern, wenn Polizisten angefeindet und als Bedrohung wahrgenommen werden.

Sonntag, 21. Juni 2015

Stellungnahme der Initiative für Demokratie und Bürgerrechte zu dem Polizeieinsatz im Rahmen der Kundgebung von Widerstand Ost-West und Gegenprotesten in der Frankfurter Innenstadt am 20.06.2015

Mit Rückblick auf die Kundgebung von Widerstand Ost-West am 20. Juni 2015 und die Gegenproteste formulieren die Vertreter der Initiative für Demokratie und Bürgerrechte Frankfurt am Main eine deutliche Kritik an der Kommunikationsstrategie der Polizei:

Wiederholt hat die Polizei Maßnahmen durchgeführt, ohne sie anzukündigen oder zu begründen. Für die Demonstrationsteilnehmer der Gegenproteste war absolut nicht einzuschätzen, wann die Polizei aggressiv auf sie reagieren würde und wann nicht. So kam es immer wieder zu Pfefferspray- und Schlagstockeinsätzen die durch besseres Kommunizieren durch die Sicherheitsorgane, die hätten vermieden werden können. Die zahlreichen Verletzten durch Polizeiübergriffe, die bereits die wenigen Beobachter der Initiative dokumentiert haben, weisen auf die Gefahren eines solchen Vorgehens hin“, so die Presse-Sprecherin der Initiative Lieselotte Kulic.

Zudem bemängelte die Initiative, eine Ungleichbehandlung der Kundgebung von WOW und der Gegenproteste.

Verstöße von Teilnehmern der Gegenproteste wurden ganz anders geahndet als Verstöße der Teilnehmer der Veranstaltung von Widerstand Ost-West. Selbst das mehrfache Zeigen des Hitlergrußes, das Werfen einer Flasche und das Bedrohen anwesender Journalisten war für die Polizei hier kein Grund einzuschreiten oder die Versammlung aufzulösen“, kritisierte die Vertreterin der Initiative Anna Balzereit. Im Rahmen der Gegenproteste führte bereits geringe Verstöße wie ein zu hoch gehaltenes Transparent zu einem massiven Durchgreifen der Polizei. Bei deutlich geringeren Anlässen wurden Personalien festgestellt und der Schlagstock und Pfefferspray eingesetzt.“

Insgesamt formulierte die Initiative eine deutliche Kritik am gestrigen Polizeieinsatz der Polizei. Dieser sei sehr unvorsichtig, eskalierend und schlecht kommuniziert gewesen. Von der deeskalativen Strategie der Polizei sei wenig zu erkennen gewesen.

Einschätzung der Polizeiarbeit im Rahmen der Kundgebung von Widerstand Ost-West und den Gegenprotesten im Gebiet der Frankfurter Innenstadt am 20.06.2015

Am Samstag den 20.06.15 hatte das Bündnis „Widerstand Ost West“(WOW), eine Gruppe von Rechtspopulisten, gewaltbereiten Hooligans und extremen Rechten zu einer Demonstration in der Frankfurter Innenstadt aufgerufen. Wir waren natürlich auch in der Frankfurter Innenstadt präsent, um den Einsatz der Polizei zu begleiten. Vorab ist zu sagen, dass auch wir teilweise Opfer von Polizeigewalt waren und durch den Einsatz von Pfefferspray anlasslos verletzt wurden. Zudem konnten wir natürlich nicht überall sein und erheben daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit in unserer Darstellung, haben jedoch alle Informationen, die wir nachfolgend veröffentlichen, geprüft.

Impressionen des Tages
Begonnen hat der Tag für uns mit der Dokumentation von diversen Personenkontrollen seitens der Polizei an angemeldeten Kundgebungsorten der Gegenproteste. So kam es am Paulsplatz zwanzig Minuten vor der um 10 Uhr beginnenden angemeldeten Kundgebung für ein weltoffenes Frankfurt zu verdachtsunabhängigen Vorkontrollen von einzelnen Personen durch die Polizei.

Die Kundgebung am Paulsplatz begann friedlich und sollte als Demonstrationszug Richtung Berliner Straße gehen. Die Teilnehmer der Gegendemonstration trugen, für eine Demonstration nicht unüblich, ein Transparent an der Spitze der Demonstration. Dieses wurde nach Auffassung der Polizei zu hoch gehalten, und als Vermummung gewertet. Der Demonstrationszug wurde gestoppt, es kam zu ersten Übergriffen durch die Polizei. Im Anschluss daran wurde vom Anmelder der Demonstration mit der Polizei verhandelt, dass das Transparent weiter unten getragen werden solle und die Demonstration den geplanten Weg gehen darf. Nur Augenblicke später griff die Polizei die Demonstration, die sich demgemäß verhielt, an und beschlagnahmte das Transparent – der kommunizierte Kompromiss wurde seitens der Polizei ignoriert.
Danach konnte die Demonstration weiter geführt werden. Die Demonstrierenden gingen über die Berliner Straße zu einer weiteren Kundgebung an der Katharinenkirche an der Hauptwache um 12 Uhr. Parallel dazu gab es eine Kundgebung des Römerbergbündnisses am Goetheplatz.
An der Katharinenkirche kam es zu Übergriffen seitens der Polizei aus für uns nicht ersichtlichen Gründen. Die Polizei setzte Schlagstöcke und Pfefferspray ein, mehrere Gegendemonstranten wurden verletzt. Warum den Demonstranten das Fortkommen verstellt wurde, war für uns nicht ersichtlich – war der Weg doch eigentlich nicht abgesperrt. Die Polizei forderte die Gegendemonstranten weder auf, sich zurückzuziehen noch teilte sie den Anlass ihres Handelns mit.
Um die ganze, von WOW geplante Demonstrationsroute, die von der Polizei abgesperrt wurde, entstanden sogenannte Blockadepunkte der Gegendemonstranten um WOW an einer Demonstration zu hindern.

Die Polizei war mit großer Präsenz vor Ort. Zwei Wasserwerfer, die an verschiedenen Orten positioniert waren, waren den ganzen Tag über präsent, kamen aber nicht zum Einsatz.
Die Kundgebung des WOWs war nicht nur durch die Gegendemonstranten abgeschirmt, auch das große Polizeiaufgebot schirmte die Versammlung von WOW zusätzlich ab.
Im Laufe der Kundgebung von WOW kam es zu zwei Kesseln von Gegendemonstranten durch die Polizei. Der erste Kessel befand sich in der Junghofstraße. Es wurden ca. 200 Personen von der Polizei festgehalten. Die Polizei drängte alle Personen dazu sich zu „vermummen“ und filmte sie dabei unrechtmäßig. Nur kurz darauf kam es nach einigen hektischen Manövern der Polizei zu einem zweiten, kurzzeitigen Kessel in der Goethestraße. Dort wurden durch das harte Durchgreifen der Polizei zahlreiche Gegendemonstranten verletzt. Mindestens eine Teilnehmerin musste verletzt ins Krankenhaus.
Es gibt Augenzeugenberichte über zahlreiche, nur ungenügend begründete Festnahmen. Teilweise wurden Personen Tatvorwürfe gemacht, die für uns als Beobachter eindeutig im Widerspruch zu ihrem Aufenthaltsort standen. Der Einschüchterungseffekt der von willkürlichen Festnahmen ausgeht, sollte von der Polizei mit bedacht werden – es kann nicht der gewünschte Effekt sein, dass Bürger sich aus Angst vor unbegründeten Festnahmen nicht mehr trauen ihre Demonstrationsfreiheit auszuüben. Da das Demonstrationsrecht vor allem ein Abwehrrecht gegen den Staat bildet, kann dieser Effekt auch nicht mit einem Verweis auf die Wirkung von Gegendemonstrationen auf die Demonstrationsteilnehmer von WOW legitimiert werden.

Als die Kundgebung von WOW beendet wurde und sie sich für eine Demonstration aufstellten, wurde es an der Hauptwache unruhig. Mehrere BFE-Einheiten mischten sich auf der Hauptwache unter die Teilnehmer der Gegendemonstration und sorgten dadurch für ein großes Durcheinander. Diese Maßnahme wirkte in keiner Weise deeskalierend. Aufgrund der zahlreichen Gegenproteste konnten die Teilnehmer von WOW nur wenige Meter innerhalb der Absperrung laufen. Währenddessen haben die Anhänger von WOW mehrfach als Gruppe den Hitlergruß gezeigt und es wurde eine Flasche auf die Gegendemonstranten geworfen. Die Polizei duldete diese Straftaten und schritt nicht ein. Besonders schockiert waren wir von dem Bericht eines Journalisten, der von Teilnehmern des WOW bedroht wurde. Dies stellt einen Angriff auf die Pressefreiheit dar, der auch von der Polizei hingenommen wurde.
Hier ist auch anzumerken, dass die Polizei den Aufzug von WOW auf dem angemeldeten Demonstrationsgebiet der Gegenkundgebung des Römerbergbündnisses ermöglicht hat, das als „Schutzbereich“ mit Gittern umstellt war.. Warum der Aufzug von WOW Vorrang vor einer angemeldeten Kundgebung des Römerbergbündnisses hat, wurde uns nicht klar und konnte uns auf Nachfragen auch von den Polizeikräften vor Ort nicht erklärt werden.
Über den Tag verteilt, wurden immer wieder über kleinere Gruppen gewaltbereite Hooligans berichtet, die in der Stadt unterwegs waren. Trotz Polizeikräften vor Ort kam es zu Übergriffen durch ebendiese in der B-Ebene der Hauptwache.

Einschätzungen zum Vorgehen der Polizei

Kommunikationsstrategie
Die Einsatzkräfte der Polizei wirkten den ganzen Tag über sehr nervös. Mit dieser Angespanntheit ist vielleicht auch ihre suboptimale Kommunikationsstrategie gegenüber den Teilnehmern der Gegendemonstration zu erklären. Wiederholt wurden Maßnahmen nicht angekündigt und/oder begründet, Absprachen mit den Anmeldern von Kundgebungen und Aufzügen wurden nicht eingehalten, die Teilnehmer wurden immer wieder unbegründet oder unverhältnismäßig angegangen.
Ein kurzes Schlaglicht soll hier auch auf die Twitter-Tätigkeit der Polizei geworfen werden – friedliche Blockaden, wurden dort als unfriedlich beschrieben. Dies erhöht nicht das Vertrauen der Demonstranten in die Polizei – sie fühlen sich vielmehr nicht ernst genommen. Das Auftreten und vor allem die Kommunikationsstrategie der Polizei, die vieles nicht ankündigte, begründete oder sogar in die Irre führte, hinterlässt ein Gefühl des Misstrauens gegenüber zukünftigen Mitteilungen der Polizeikräfte, das nicht beabsichtigt gewesen sein kann.

Ungleichbehandlungen der Demonstrationen
Auffällig war, dass die Polizei Verstöße der Teilnehmer der Veranstaltung von WOW deutlich unterschiedlich behandelte als die Verstöße der Gegendemonstranten. Das Zeigen von Hitlergrüßen, das Werfen einer Flasche und das Beschimpfen und Bedrohen von Journalisten und den Teilnehmern der Gegendemonstration wäre aus unserer Sicht ein Grund gewesen, diese Versammlung als nicht mehr friedlich einzuordnen. Die Polizei ging aber gegen die ausführenden Personen im Rahmen dieser Versammlung überhaupt nicht vor.
Zudem wurde das Gebiet der Kundgebung des Römerbergbündnisses beschnitten, um dort den Aufzug von WOW innerhalb der Absperrung durchzuführen.
Im Rahmen der Gegenproteste führte bereits ein zu hoch gehaltenes Transparent zu einem massiven Durchgreifen der Polizei. Bei deutlich geringeren Anlässen wurden Personalien festgestellt und der Schlagstock und Pfefferspray eingesetzt. Teilweise löste bereits das Fortbewegen in Gruppen polizeiliche Maßnahmen aus.
Insgesamt ist der Polizeieinsatz gegen die Gegendemonstranten als sehr unkoordiniert, unvorsichtig, gewaltbereit und eskalierend zu bewerten. Ein Anzeichen hierfür sind auch die zahlreichen Verletzten, die wir gesehen haben.
Es wiederholte sich, was wir auch schon zu den Einsätzen im Rahmen der Proteste von „Pegida Rhein-Main“ und den „Freien Bürgern für Deutschland“ geschrieben haben:
Aufgabe der Polizei ist es, die Versammlungsfreiheit aller Bürger zu gewährleisten und auch Gegenprotest zu ermöglichen. Selbstverständlich ist es Aufgabe der Polizei, Demonstrationen vor Angriffen durch Gegendemonstranten zu schützen – dies darf aber nicht so weit gehen, dass der gesamte Gegenprotest kriminalisiert, durch polizeiliche Maßnahmen eingeschüchtert oder erschwert wird.“ (IfDB FfM 02.06.2015)

Maßnahmen der Polizei
Es sollen sich Teilnehmer der Gegendemonstrationen vermummt haben, und es sollen auch Eier geworfen worden sein – dies sind Gründe für polizeiliche Maßnahmen. Jedoch haben die Polizeikräfte jedes Mal ohne Aufforderung oder irgendeine erdenkliche Kommunikationsform direkt mit Gewalt reagiert. Außerdem hat die Polizei konstant die Gegenproteste gefilmt, auch wenn keine konkrete Gefahrensituation bestand.
Der Einsatz der Polizei war sehr hektisch, was sie selbst auch auf Twitter eingestanden haben.
Die Polizei setzte von Beginn an auf den Einsatz von sehr vielen Zivilbeamten. Die eingesetzten Communicators der Polizei waren an Orten, an denen es hektischer zuging nicht vor Ort. Eine Bereitschaft zur Deeskalation war seitens der Beamten nicht ersichtlich.
Wir selbst haben keine körperlichen Übergriffe auf Polizeibeamte beobachtet. Die Polizei hat aber berichtet, dass ein Zivilbeamter angegriffen wurde. Dies wäre natürlich bedauerlich. Gleichzeitig ist der großflächige und für jeden Demonstrationsteilnehmer auch sichtbare Einsatz ebendieser ein ständiges Misstrauensvotum gegenüber den Demonstrationsteilnehmern, der auch einen einschüchternder Effekt erzielt, der engagierte Bürger in Zukunft davon abhalten könnte, sich den Protesten anzuschließen. Der permanente Einsatz von Zivilbeamten, der auch bei friedlichen Demonstrationen unseren Beobachtungen nach aktuell zur Regel geworden ist, sollte von den Polizeikräften nochmals überdacht werden. Dies sendet kein deeskalierendes Signal und gibt den Demonstrationsteilnehmern ein Gefühl der permanenten Beobachtung.
Als ähnlich problematisch erachten wir auch Festnahmen, die nur mangelhaft begründet werden. Tatvorwürfe, die bereits aus den Gegebenheiten der Festnahme heraus offensichtlich widersprüchlich sind, haben einen einschüchternden Effekt ohne der Strafverfolgung dienlich zu sein.

Dienstag, 2. Juni 2015

Resümee der Initiative für Demokratie und Bürgerrechte bezüglich der Polizeiarbeit im Rahmen der vergangenen Demonstrationen rechter Gruppen in der Frankfurter Innenstadt


In den letzten drei Monaten haben wir in Frankfurt verschiedene Kundgebungen von verschiedenen rechten Gruppierungen, wie beispielsweise Pegida, und entsprechende Gegendemonstrationen besucht. Hierbei stand vor allem die Polizeiarbeit im Fokus unserer Beobachtungen. Weitere wöchentliche Kundgebungen sind erst einmal nicht angekündigt, lediglich eine größere Demonstration des rechten Bündnisses „Widerstand Ost West“ ist für den 20. Juni geplant. Zeit für uns, ein Resümee zu ziehen.
Ungleichbehandlungen
Im Rahmen der ersten Pegida-Veranstaltungen in Frankfurt am Main fiel zunächst auf, dass die Polizei, für die Frankfurter Einheiten eher untypisch, in Bezug auf die Gegenproteste ein hohes Maß an Aggressivität an den Tag legte. So wurden zahlreiche Teilnehmer der Gegenproteste von Polizisten beschimpft, geschubst, geschlagen, mit Pfefferspray attackiert und teilweise auch mit Schlagstöcken angegriffen. Einzelne Vermummungen in der Gegendemonstration wurden zudem bereits zum Anlass genommen, mit mehreren Einsatzkräften in die Versammlung zu gehen und sich den Weg zu Einzelpersonen freizuschubsen, um diese, zumindest vorübergehend, festzusetzen. Auf Seite der Pegida-Demonstranten blieben passive Bewaffnung (mit einem Fahrradhelm), Vermummungen und, unserer Einschätzung nach, volksverhetzende Reden (z.B. durch Michael Mannheimer) ungeahndet. Außerdem konnten sich mehrere Pegida-Anhänger frei in der Gegendemonstration bewegen, während eine Gruppe junger Gegendemonstranten, die versuchten, über eine Absperrung zu klettern, um zur Pegida-Kundgebung zu gelangen, mit massivem Schlagstock- und Pfeffersprayeinsatz davon abgehalten und anschließend sogar festgenommen wurden. Ferner konnten wir vor Ort beobachten, dass Gegendemonstranten von Pegida-Anhängern beleidigt und geschubst wurden und sich die Polizeikräfte, auch auf Aufforderung, weigerten, dagegen vorzugehen.
Das alles zeigt, dass die Polizei scheinbar mit zweierlei Maß misst: Während die Demonstrationen von rechten Gruppierungen unter allen Umständen gewährleistet werden sollen, werden die Gegenproteste kriminalisiert. Hier reichen schon kleinere Vergehen als Anlass für die Polizei um Einzelpersonen festzunehmen und Großteile der Gegendemonstration zu bedrängen sowie abzufilmen. Auch werden die Gegenproteste durch teilweise mehr als unangebrachte Durchsagen der Polizei delegitimiert und als grundrechtsfeindlich dargestellt (wir berichteten).
Eingriffe in Versammlungsfreiheit
Insgesamt konnten wir neben diesen Ungleichbehandlungen auch verschiedene, unserer Einschätzung nach unrechtmäßige Eingriffe in die Versammlungsfreiheit feststellen.
Zum einen wurden Gegendemonstranten verstärkt Durchsuchungsmaßnahmen durch die Polizei unterzogen und vermehrt Personalien festgestellt, ohne dass diese Maßnahmen verhältnismäßig erschienen oder hierfür die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren. Auch war es teilweise nicht möglich, zu angemeldeten Mahnwachen durchzudringen, da die Polizei immer wieder kurzfristig die Zugänge absperrte.
Zudem stellt die fast durchgehende Videoüberwachung der Gegendemonstrationen ohne konkreten Anlass oder Gefährdung einen massiven Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar. Hierdurch wird nicht nur das Persönlichkeitsrecht der Teilnehmer unverhältnismäßig beeinträchtigt, sondern auch ein einschüchternder Effekt erzielt, der engagierte Bürger in Zukunft davon abhalten könnte, sich den Protesten anzuschließen. Gleiches gilt für das Platzieren ganzer Polizeitrupps in der Gegendemonstration.
Grundrechtseingriffe für Passanten
Die wöchentlichen Veranstaltungen von rechten Gruppierungen wurden meist durch weitläufige Gitter-Absperrungen von den Gegenprotesten abgeschirmt, wodurch aber auch viele Frankfurter Passanten in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt wurden. Auch die U-Bahn-Station „Hauptwache“ wurde in den letzten Wochen immer wieder komplett gesperrt, um den Teilnehmern der rechten Proteste eine problemlose Abreise zu ermöglichen. Dadurch war es für Fahrgäste zeitweise unmöglich die B-Ebene der Hauptwache zu verlassen, sie waren dort eingesperrt. Diese Maßnahme scheint in Anbetracht der Tatsache, dass die Polizei die meist weniger als 30 Personen zählende Personengruppe auch hätte eskortieren können, unverhältnismäßig und brandschutztechnisch zumindest gewagt.
Fazit
In den letzten Wochen haben mit Fragida, Pegida Rhein-Main und den Freien Bürger für Deutschland verschiedene rechte Gruppen in der Frankfurter Innenstadt demonstriert und zahlreiche Gegenproteste ausgelöst. Die Zahl der Demonstranten der rechten Gruppierungen war dabei stets sehr niedrig und pendelte sich bei ca. 30 Personen ein, während die Gegendemonstranten stetig deutlich höhere Mobilisierungserfolge erzielten.
Der Umgang der Polizei mit dem Aufeinandertreffen dieser zwei Gruppen hat sich dabei im Laufe der Zeit gewandelt. Konstant zu beanstanden war eine zu beobachtende Ungleichbehandlung der Versammlungen. Während die Polizei Frankfurt ihr Möglichstes tat, um die verschiedenen Versammlungen der rechten Gruppen zu ermöglichen, kam es in Bezug auf die Gegenproteste immer wieder zu massiven Eingriffen in die Versammlungsfreiheit – beispielsweise durch anlasslose Vorkontrollen, Videoüberwachung und delegitimierende Äußerungen über die friedlichen Proteste. Aufgabe der Polizei ist es, die Versammlungsfreiheit aller Bürger zu gewährleisten und auch Gegenprotest zu ermöglichen. Selbstverständlich ist es Aufgabe der Polizei, Demonstrationen vor Angriffen durch Gegendemonstranten zu schützen – dies darf aber nicht so weit gehen, dass der gesamte Gegenprotest kriminalisiert, durch polizeiliche Maßnahmen eingeschüchtert oder erschwert wird.
Der von uns beobachtete Strategiewechsel der Frankfurter Polizei zeigt sich vor allem im strategischen Umgang mit den Gegendemonstrationen. Das anfänglich sehr aggressive und grundrechtseinschränkende Vorgehen hat sich im Laufe der Zeit, vermutlich auch aufgrund zahlreicher Beschwerden, verändert. Die Polizei scheint wieder ein eher deeskalierendes Vorgehen zu bevorzugen. Diese Veränderung begrüßen wir grundsätzlich, sehen jedoch in diesem Zusammenhang neue Probleme: Diese neue Zurückhaltung geht einher, mit einer verstärkten, weniger sichtbaren Überwachung der Demonstration durch zahlreiche Zivilpolizisten. Zudem wird bei der kleinsten Unruhe gefilmt und damit eine konstante Strategie der Einschüchterung gefahren. Dieser Effekt wird durch dadurch verstärkt, Gruppen von Polizeibeamten inmitten der Gegendemonstration zu platzieren, die ein permanentes Gefühl des möglichen Zugriffs vermitteln.