Gestern, am 10.12,
wurde im Nordend von Aktivisten aus dem Umfeld von
Flüchtlingsunterstützungsgruppe „Project Shelter“ ein Haus
besetzt. Im Anschluss an die Demonstration „Gleiche Rechte für
alle“ fand sich eine größere Menschenmenge vor Ort ein.
Die politischen
Beweggründe des Protests sind bei „Project Shelter“ und in
diversen Frankfurter Zeitungen nachzulesen, wir wollen uns in unserer
kurzen Stellungnahme auf die Vorkommnisse vor während und nach der
Räumung des Hauses durch Einheiten der Polizei konzentrieren.
Der
Polizeieinsatz während der Demonstration
Bereits während der
durchgehend friedlichen Demonstration war die Polizei mit zahlreichen
Zivilbeamten unterwegs. Diese waren dann auch um das besetzte Haus
eingesetzt, um die umher stehenden Demonstrationsteilnehmer zu
überwachen.
Die Mitglieder
unserer Initiative, die sich vor Ort aufhielten, konnten außerdem
zahlreiche Schikane-Maßnahmen der Polizei beobachten. So wurde
beispielsweise ein Flüchtling, der an der Demonstration teilgenommen
hatte, wegen angeblich rechtswidriger Vermummung über einen längeren
Zeitraumfestgehalten und kontrolliert. Die Temperaturen lagen aber um
den Gefrierpunkt und Kälte ist in Bezug auf Vermummung ein von der
Rechtsprechung allgemein anerkannter Rechtfertigungsgrund, was der
Frankfurter Polizei eigentlich auch bewusst sein müsste. Vor diesem
Hintergrund erscheint diese polizeiliche Maßnahme daher
unverhältnismäßig.
Die Räumung –
einzelne Beamte eskalieren die Situation
Insgesamt wurde die
Räumung des Hauses von der Polizei sehr aggressiv und teilweise auch
unprofessionell durchgeführt, was immer wieder unnötig die
Situation vor Ort eskalierte und zu zahlreichen verletzten
Unterstützern führte. Auch umstehende Bürger und Anwohner waren
davon betroffen. Es entstand der Eindruck, dass zu wenige und vor
allem auch sehr unsichere Beamte im Einsatz waren.
Mehrere
Polizeibeamte übertraten die Grenze des angemessenen Verhaltens.
Schockiert mussten wir beobachten, wie ein einzelner Beamter eine
junge Frau als „Missgeburt“ beleidigte. Außerdem konnten wir
beobachten, dass ein Beamter die sogenannte Fingerstichtechnik
(hierbei wird mit je einem Finger je ein Auge in die Augenhöhle
gedrückt) gegen eine junge Frau einsetzte, ohne dass diese als
gewalttätig oder besonders aggressiv aufgefallen war. Ein anderer
Polizeibeamter forderte einen jungen Unterstützer zum Einzelkampf
heraus und drohte ihm offen mit der Faust. Solch ein Benehmen der
Polizeikräfte halten wir für höchst problematisch. Zudem stärkt
es das Misstrauen der Bürger gegenüber der Polizei als
Repräsentantin des Staates.
Auch der im
Polizeibericht beklagte versuchte Diebstahl/Raub eines Schlagstocks
entsprang aus unserer Beobachtung dem unangemessenen Verhalten eines
jungen Beamten, der mit eben diesem Schlagstock wild herumfuchtelte
und Unterstützer bedrohte. Ob es wirklich zu dem Diebstahlsversuch
gekommen ist, können wir nicht bestätigen.
Ein weiterer Beamte
löste durch sein unprofessionelles, aggressives Verhalten eine
Eskalation vor dem besetzten Haus aus, in deren Verlauf die Polizei
mehrere Unterstützer verletzte – einige schwer. Der junge Beamte
hatte sich zu einem unbegründeten Schubsen und Beleidigen eines
jungen Mannes hinreißen lassen. Durch die daraus entstehenden
Empörung unter den anderen Unterstützern sahen sich andere
Polizeikräfte genötigt ihrem Kollege zur Hilfe zu eilen. Im Rahmen
dieser Aktion wurden mehrere umstehende Beobachter umgestoßen, es
kam zum Schlagstock- und Pfeffersprayeinsatz, der einzig und allein
aus dem Vorverhalten des einzelnen Polizeibeamten resultierte. Diese
Situation steht sinnbildlich für den gesamten Polizeieinsatz an
diesem Abend: einzelne Polizeibeamte stachen durch ein aggressives
Auftreten und Provokationen hervor, die gesamte Polizei reagierte mit
überzogener Härte.
Verletzte
Demonstranten durch Polizeigewalt
Im Laufe der Räumung
kam es daher zu massiven Übergriffen. So wurde sehr viel
Pfefferspray direkt in das Gesicht der Demonstranten gesprüht und
mit Schlagstöcken auf Kopfhöhe geschlagen. Wir haben allein von
drei Personen Kenntnis, die wegen hierdurch entstandener Platzwunden
ins Krankenhaus gebracht werden mussten, vermutlich wurden jedoch
noch weitere Personen schwer verletzt. Die Unterstützer der Besetzer
beschränkten sich auf friedliche Blockaden, ein einfaches Abdrängen
der Unterstützer wäre ein angemessener Umgang gewesen.
Behinderung der
demokratischen Öffentlichkeit
Schaulustige
Anwohner, die den Polizeieinsatz aus einiger Entfernung beobachteten,
wurden seitens der Polizei mittels Lautsprecherdurchsagen zum Gehen
aufgefordert. Ihnen wurde von der Polizei suggeriert, dass sie sich
rechtswidrig dort aufhielten. Wir finden es wirklich schockierend,
wie die Frankfurter Polizei mit gezielter Desinformation zu
verhindern versucht, dass Bürger ihre Arbeit demokratisch
kontrollieren. Wir konnten auch vor Ort beobachten, wie
Pressevertreter von der Polizei bedrängt wurden. Sie wurden mit
Scheinwerfern geblendet, damit sie keine Bildaufnahmen machen
konnten, trotz Vorzeigen ihres Presseausweises nicht zum Ort des
Geschehens durchgelassen, ihre Kameras wurden weggedrückt.
Fehlende
Selbstkritik bei der Polizei
Auch im Nachgang
verbreitete die Polizei missverständliche Informationen. In Ihrer
offiziellen Pressemitteilung spricht sie von einem verletzten
Polizeibeamten. Was aus der Pressemitteilung nicht hervorgeht, aber
von der Polizei auf Twitter verbreitet wurde: die beschriebene
Prellung hat sich der Polizeibeamte beim Abdrängen der Hausbesetzer
selbst zugezogen. Dies kann nun allerdings nicht den Demonstranten
zugeschrieben werden, sondern dem Ungeschick des Beamten. Auch die
Zahl der verletzten Beamten wurde damit von zwei (Angabe auf Twitter)
auf einen (Polizeibericht) reduziert.
Die häufig zu
beobachtende Taktik der Polizei, den eigenen missglückten und aus
dem Ruder gelaufenen Einsatz durch verletzte Beamte zu verharmlosen
und die Schuld an der Eskalation den Demonstranten zuzuschieben,
beobachten wir schon seit Längerem mit großer Sorge.
Statt dieser
zweifelhaften Kommunikationsstrategie stünde es der Polizei gut zu
Gesicht, den eigenen Einsatz zu hinterfragen und die Exzesse
einzelner Beamter aufzuarbeiten.
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