Freitag, 11. Dezember 2015

Stellungnahme zum Vorgehen der Polizei bei der Räumung des besetzten Hauses im Frankfurter Nordend am 10.12. - Kritik an massiver und unnötiger Polizeigewalt


Gestern, am 10.12, wurde im Nordend von Aktivisten aus dem Umfeld von Flüchtlingsunterstützungsgruppe „Project Shelter“ ein Haus besetzt. Im Anschluss an die Demonstration „Gleiche Rechte für alle“ fand sich eine größere Menschenmenge vor Ort ein.
Die politischen Beweggründe des Protests sind bei „Project Shelter“ und in diversen Frankfurter Zeitungen nachzulesen, wir wollen uns in unserer kurzen Stellungnahme auf die Vorkommnisse vor während und nach der Räumung des Hauses durch Einheiten der Polizei konzentrieren.

Der Polizeieinsatz während der Demonstration
Bereits während der durchgehend friedlichen Demonstration war die Polizei mit zahlreichen Zivilbeamten unterwegs. Diese waren dann auch um das besetzte Haus eingesetzt, um die umher stehenden Demonstrationsteilnehmer zu überwachen.
Die Mitglieder unserer Initiative, die sich vor Ort aufhielten, konnten außerdem zahlreiche Schikane-Maßnahmen der Polizei beobachten. So wurde beispielsweise ein Flüchtling, der an der Demonstration teilgenommen hatte, wegen angeblich rechtswidriger Vermummung über einen längeren Zeitraumfestgehalten und kontrolliert. Die Temperaturen lagen aber um den Gefrierpunkt und Kälte ist in Bezug auf Vermummung ein von der Rechtsprechung allgemein anerkannter Rechtfertigungsgrund, was der Frankfurter Polizei eigentlich auch bewusst sein müsste. Vor diesem Hintergrund erscheint diese polizeiliche Maßnahme daher unverhältnismäßig.

Die Räumung – einzelne Beamte eskalieren die Situation
Insgesamt wurde die Räumung des Hauses von der Polizei sehr aggressiv und teilweise auch unprofessionell durchgeführt, was immer wieder unnötig die Situation vor Ort eskalierte und zu zahlreichen verletzten Unterstützern führte. Auch umstehende Bürger und Anwohner waren davon betroffen. Es entstand der Eindruck, dass zu wenige und vor allem auch sehr unsichere Beamte im Einsatz waren.
Mehrere Polizeibeamte übertraten die Grenze des angemessenen Verhaltens. Schockiert mussten wir beobachten, wie ein einzelner Beamter eine junge Frau als „Missgeburt“ beleidigte. Außerdem konnten wir beobachten, dass ein Beamter die sogenannte Fingerstichtechnik (hierbei wird mit je einem Finger je ein Auge in die Augenhöhle gedrückt) gegen eine junge Frau einsetzte, ohne dass diese als gewalttätig oder besonders aggressiv aufgefallen war. Ein anderer Polizeibeamter forderte einen jungen Unterstützer zum Einzelkampf heraus und drohte ihm offen mit der Faust. Solch ein Benehmen der Polizeikräfte halten wir für höchst problematisch. Zudem stärkt es das Misstrauen der Bürger gegenüber der Polizei als Repräsentantin des Staates.
Auch der im Polizeibericht beklagte versuchte Diebstahl/Raub eines Schlagstocks entsprang aus unserer Beobachtung dem unangemessenen Verhalten eines jungen Beamten, der mit eben diesem Schlagstock wild herumfuchtelte und Unterstützer bedrohte. Ob es wirklich zu dem Diebstahlsversuch gekommen ist, können wir nicht bestätigen.
Ein weiterer Beamte löste durch sein unprofessionelles, aggressives Verhalten eine Eskalation vor dem besetzten Haus aus, in deren Verlauf die Polizei mehrere Unterstützer verletzte – einige schwer. Der junge Beamte hatte sich zu einem unbegründeten Schubsen und Beleidigen eines jungen Mannes hinreißen lassen. Durch die daraus entstehenden Empörung unter den anderen Unterstützern sahen sich andere Polizeikräfte genötigt ihrem Kollege zur Hilfe zu eilen. Im Rahmen dieser Aktion wurden mehrere umstehende Beobachter umgestoßen, es kam zum Schlagstock- und Pfeffersprayeinsatz, der einzig und allein aus dem Vorverhalten des einzelnen Polizeibeamten resultierte. Diese Situation steht sinnbildlich für den gesamten Polizeieinsatz an diesem Abend: einzelne Polizeibeamte stachen durch ein aggressives Auftreten und Provokationen hervor, die gesamte Polizei reagierte mit überzogener Härte.

Verletzte Demonstranten durch Polizeigewalt
Im Laufe der Räumung kam es daher zu massiven Übergriffen. So wurde sehr viel Pfefferspray direkt in das Gesicht der Demonstranten gesprüht und mit Schlagstöcken auf Kopfhöhe geschlagen. Wir haben allein von drei Personen Kenntnis, die wegen hierdurch entstandener Platzwunden ins Krankenhaus gebracht werden mussten, vermutlich wurden jedoch noch weitere Personen schwer verletzt. Die Unterstützer der Besetzer beschränkten sich auf friedliche Blockaden, ein einfaches Abdrängen der Unterstützer wäre ein angemessener Umgang gewesen.

Behinderung der demokratischen Öffentlichkeit
Schaulustige Anwohner, die den Polizeieinsatz aus einiger Entfernung beobachteten, wurden seitens der Polizei mittels Lautsprecherdurchsagen zum Gehen aufgefordert. Ihnen wurde von der Polizei suggeriert, dass sie sich rechtswidrig dort aufhielten. Wir finden es wirklich schockierend, wie die Frankfurter Polizei mit gezielter Desinformation zu verhindern versucht, dass Bürger ihre Arbeit demokratisch kontrollieren. Wir konnten auch vor Ort beobachten, wie Pressevertreter von der Polizei bedrängt wurden. Sie wurden mit Scheinwerfern geblendet, damit sie keine Bildaufnahmen machen konnten, trotz Vorzeigen ihres Presseausweises nicht zum Ort des Geschehens durchgelassen, ihre Kameras wurden weggedrückt.

Fehlende Selbstkritik bei der Polizei
Auch im Nachgang verbreitete die Polizei missverständliche Informationen. In Ihrer offiziellen Pressemitteilung spricht sie von einem verletzten Polizeibeamten. Was aus der Pressemitteilung nicht hervorgeht, aber von der Polizei auf Twitter verbreitet wurde: die beschriebene Prellung hat sich der Polizeibeamte beim Abdrängen der Hausbesetzer selbst zugezogen. Dies kann nun allerdings nicht den Demonstranten zugeschrieben werden, sondern dem Ungeschick des Beamten. Auch die Zahl der verletzten Beamten wurde damit von zwei (Angabe auf Twitter) auf einen (Polizeibericht) reduziert.
Die häufig zu beobachtende Taktik der Polizei, den eigenen missglückten und aus dem Ruder gelaufenen Einsatz durch verletzte Beamte zu verharmlosen und die Schuld an der Eskalation den Demonstranten zuzuschieben, beobachten wir schon seit Längerem mit großer Sorge.
Statt dieser zweifelhaften Kommunikationsstrategie stünde es der Polizei gut zu Gesicht, den eigenen Einsatz zu hinterfragen und die Exzesse einzelner Beamter aufzuarbeiten.

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