Dienstag, 2. Juni 2015

Resümee der Initiative für Demokratie und Bürgerrechte bezüglich der Polizeiarbeit im Rahmen der vergangenen Demonstrationen rechter Gruppen in der Frankfurter Innenstadt


In den letzten drei Monaten haben wir in Frankfurt verschiedene Kundgebungen von verschiedenen rechten Gruppierungen, wie beispielsweise Pegida, und entsprechende Gegendemonstrationen besucht. Hierbei stand vor allem die Polizeiarbeit im Fokus unserer Beobachtungen. Weitere wöchentliche Kundgebungen sind erst einmal nicht angekündigt, lediglich eine größere Demonstration des rechten Bündnisses „Widerstand Ost West“ ist für den 20. Juni geplant. Zeit für uns, ein Resümee zu ziehen.
Ungleichbehandlungen
Im Rahmen der ersten Pegida-Veranstaltungen in Frankfurt am Main fiel zunächst auf, dass die Polizei, für die Frankfurter Einheiten eher untypisch, in Bezug auf die Gegenproteste ein hohes Maß an Aggressivität an den Tag legte. So wurden zahlreiche Teilnehmer der Gegenproteste von Polizisten beschimpft, geschubst, geschlagen, mit Pfefferspray attackiert und teilweise auch mit Schlagstöcken angegriffen. Einzelne Vermummungen in der Gegendemonstration wurden zudem bereits zum Anlass genommen, mit mehreren Einsatzkräften in die Versammlung zu gehen und sich den Weg zu Einzelpersonen freizuschubsen, um diese, zumindest vorübergehend, festzusetzen. Auf Seite der Pegida-Demonstranten blieben passive Bewaffnung (mit einem Fahrradhelm), Vermummungen und, unserer Einschätzung nach, volksverhetzende Reden (z.B. durch Michael Mannheimer) ungeahndet. Außerdem konnten sich mehrere Pegida-Anhänger frei in der Gegendemonstration bewegen, während eine Gruppe junger Gegendemonstranten, die versuchten, über eine Absperrung zu klettern, um zur Pegida-Kundgebung zu gelangen, mit massivem Schlagstock- und Pfeffersprayeinsatz davon abgehalten und anschließend sogar festgenommen wurden. Ferner konnten wir vor Ort beobachten, dass Gegendemonstranten von Pegida-Anhängern beleidigt und geschubst wurden und sich die Polizeikräfte, auch auf Aufforderung, weigerten, dagegen vorzugehen.
Das alles zeigt, dass die Polizei scheinbar mit zweierlei Maß misst: Während die Demonstrationen von rechten Gruppierungen unter allen Umständen gewährleistet werden sollen, werden die Gegenproteste kriminalisiert. Hier reichen schon kleinere Vergehen als Anlass für die Polizei um Einzelpersonen festzunehmen und Großteile der Gegendemonstration zu bedrängen sowie abzufilmen. Auch werden die Gegenproteste durch teilweise mehr als unangebrachte Durchsagen der Polizei delegitimiert und als grundrechtsfeindlich dargestellt (wir berichteten).
Eingriffe in Versammlungsfreiheit
Insgesamt konnten wir neben diesen Ungleichbehandlungen auch verschiedene, unserer Einschätzung nach unrechtmäßige Eingriffe in die Versammlungsfreiheit feststellen.
Zum einen wurden Gegendemonstranten verstärkt Durchsuchungsmaßnahmen durch die Polizei unterzogen und vermehrt Personalien festgestellt, ohne dass diese Maßnahmen verhältnismäßig erschienen oder hierfür die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren. Auch war es teilweise nicht möglich, zu angemeldeten Mahnwachen durchzudringen, da die Polizei immer wieder kurzfristig die Zugänge absperrte.
Zudem stellt die fast durchgehende Videoüberwachung der Gegendemonstrationen ohne konkreten Anlass oder Gefährdung einen massiven Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar. Hierdurch wird nicht nur das Persönlichkeitsrecht der Teilnehmer unverhältnismäßig beeinträchtigt, sondern auch ein einschüchternder Effekt erzielt, der engagierte Bürger in Zukunft davon abhalten könnte, sich den Protesten anzuschließen. Gleiches gilt für das Platzieren ganzer Polizeitrupps in der Gegendemonstration.
Grundrechtseingriffe für Passanten
Die wöchentlichen Veranstaltungen von rechten Gruppierungen wurden meist durch weitläufige Gitter-Absperrungen von den Gegenprotesten abgeschirmt, wodurch aber auch viele Frankfurter Passanten in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt wurden. Auch die U-Bahn-Station „Hauptwache“ wurde in den letzten Wochen immer wieder komplett gesperrt, um den Teilnehmern der rechten Proteste eine problemlose Abreise zu ermöglichen. Dadurch war es für Fahrgäste zeitweise unmöglich die B-Ebene der Hauptwache zu verlassen, sie waren dort eingesperrt. Diese Maßnahme scheint in Anbetracht der Tatsache, dass die Polizei die meist weniger als 30 Personen zählende Personengruppe auch hätte eskortieren können, unverhältnismäßig und brandschutztechnisch zumindest gewagt.
Fazit
In den letzten Wochen haben mit Fragida, Pegida Rhein-Main und den Freien Bürger für Deutschland verschiedene rechte Gruppen in der Frankfurter Innenstadt demonstriert und zahlreiche Gegenproteste ausgelöst. Die Zahl der Demonstranten der rechten Gruppierungen war dabei stets sehr niedrig und pendelte sich bei ca. 30 Personen ein, während die Gegendemonstranten stetig deutlich höhere Mobilisierungserfolge erzielten.
Der Umgang der Polizei mit dem Aufeinandertreffen dieser zwei Gruppen hat sich dabei im Laufe der Zeit gewandelt. Konstant zu beanstanden war eine zu beobachtende Ungleichbehandlung der Versammlungen. Während die Polizei Frankfurt ihr Möglichstes tat, um die verschiedenen Versammlungen der rechten Gruppen zu ermöglichen, kam es in Bezug auf die Gegenproteste immer wieder zu massiven Eingriffen in die Versammlungsfreiheit – beispielsweise durch anlasslose Vorkontrollen, Videoüberwachung und delegitimierende Äußerungen über die friedlichen Proteste. Aufgabe der Polizei ist es, die Versammlungsfreiheit aller Bürger zu gewährleisten und auch Gegenprotest zu ermöglichen. Selbstverständlich ist es Aufgabe der Polizei, Demonstrationen vor Angriffen durch Gegendemonstranten zu schützen – dies darf aber nicht so weit gehen, dass der gesamte Gegenprotest kriminalisiert, durch polizeiliche Maßnahmen eingeschüchtert oder erschwert wird.
Der von uns beobachtete Strategiewechsel der Frankfurter Polizei zeigt sich vor allem im strategischen Umgang mit den Gegendemonstrationen. Das anfänglich sehr aggressive und grundrechtseinschränkende Vorgehen hat sich im Laufe der Zeit, vermutlich auch aufgrund zahlreicher Beschwerden, verändert. Die Polizei scheint wieder ein eher deeskalierendes Vorgehen zu bevorzugen. Diese Veränderung begrüßen wir grundsätzlich, sehen jedoch in diesem Zusammenhang neue Probleme: Diese neue Zurückhaltung geht einher, mit einer verstärkten, weniger sichtbaren Überwachung der Demonstration durch zahlreiche Zivilpolizisten. Zudem wird bei der kleinsten Unruhe gefilmt und damit eine konstante Strategie der Einschüchterung gefahren. Dieser Effekt wird durch dadurch verstärkt, Gruppen von Polizeibeamten inmitten der Gegendemonstration zu platzieren, die ein permanentes Gefühl des möglichen Zugriffs vermitteln.

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