Am Samstag den 20.06.15 hatte das Bündnis „Widerstand Ost
West“(WOW), eine Gruppe von Rechtspopulisten, gewaltbereiten
Hooligans und extremen Rechten zu einer Demonstration in der
Frankfurter Innenstadt aufgerufen. Wir waren natürlich auch in der
Frankfurter Innenstadt präsent, um den Einsatz der Polizei zu
begleiten. Vorab ist zu sagen, dass auch wir teilweise Opfer von
Polizeigewalt waren und durch den Einsatz von Pfefferspray anlasslos
verletzt wurden. Zudem konnten wir natürlich nicht überall sein und
erheben daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit in unserer
Darstellung, haben jedoch alle Informationen, die wir nachfolgend
veröffentlichen, geprüft.
Begonnen
hat der Tag für uns mit der Dokumentation von diversen
Personenkontrollen seitens der Polizei an angemeldeten
Kundgebungsorten der Gegenproteste. So kam es am Paulsplatz zwanzig
Minuten vor der um 10 Uhr beginnenden angemeldeten Kundgebung für
ein weltoffenes Frankfurt zu verdachtsunabhängigen Vorkontrollen von
einzelnen Personen durch die Polizei.
Die
Kundgebung am Paulsplatz begann friedlich und sollte als
Demonstrationszug Richtung Berliner Straße gehen. Die Teilnehmer der
Gegendemonstration trugen, für eine Demonstration nicht unüblich,
ein Transparent an der Spitze der Demonstration. Dieses wurde nach
Auffassung der Polizei zu hoch gehalten, und als Vermummung gewertet.
Der Demonstrationszug wurde gestoppt, es kam zu ersten Übergriffen
durch die Polizei. Im Anschluss daran wurde vom Anmelder der
Demonstration mit der Polizei verhandelt, dass das Transparent weiter
unten getragen werden solle und die Demonstration den geplanten Weg
gehen darf. Nur Augenblicke später griff die Polizei die
Demonstration, die sich demgemäß verhielt, an und beschlagnahmte
das Transparent – der kommunizierte Kompromiss wurde seitens der
Polizei ignoriert.
Danach
konnte die Demonstration weiter geführt werden. Die Demonstrierenden
gingen über die Berliner Straße zu einer weiteren Kundgebung an der
Katharinenkirche an der Hauptwache um 12 Uhr. Parallel dazu gab es
eine Kundgebung des Römerbergbündnisses am Goetheplatz.
An der
Katharinenkirche kam es zu Übergriffen seitens der Polizei aus für
uns nicht ersichtlichen Gründen. Die Polizei setzte Schlagstöcke
und Pfefferspray ein, mehrere Gegendemonstranten wurden verletzt.
Warum den Demonstranten das Fortkommen verstellt wurde, war für uns
nicht ersichtlich – war der Weg doch eigentlich nicht abgesperrt.
Die Polizei forderte die Gegendemonstranten weder auf, sich
zurückzuziehen noch teilte sie den Anlass ihres Handelns mit.
Um die
ganze, von WOW geplante Demonstrationsroute, die von der Polizei
abgesperrt wurde, entstanden sogenannte Blockadepunkte der
Gegendemonstranten um WOW an einer Demonstration zu hindern.
Die
Polizei war mit großer Präsenz vor Ort. Zwei Wasserwerfer, die an
verschiedenen Orten positioniert waren, waren den ganzen Tag über
präsent, kamen aber nicht zum Einsatz.
Die Kundgebung des WOWs war nicht nur durch die Gegendemonstranten abgeschirmt, auch das große Polizeiaufgebot schirmte die Versammlung von WOW zusätzlich ab.
Die Kundgebung des WOWs war nicht nur durch die Gegendemonstranten abgeschirmt, auch das große Polizeiaufgebot schirmte die Versammlung von WOW zusätzlich ab.
Im
Laufe der Kundgebung von WOW kam es zu zwei Kesseln von
Gegendemonstranten durch die Polizei. Der erste Kessel befand sich in
der Junghofstraße. Es wurden ca. 200 Personen von der Polizei
festgehalten. Die Polizei drängte alle Personen dazu sich zu
„vermummen“ und filmte sie dabei unrechtmäßig. Nur kurz darauf
kam es nach einigen hektischen Manövern der Polizei zu einem
zweiten, kurzzeitigen Kessel in der Goethestraße. Dort wurden durch
das harte Durchgreifen der Polizei zahlreiche Gegendemonstranten
verletzt. Mindestens eine Teilnehmerin musste verletzt ins
Krankenhaus.
Es
gibt Augenzeugenberichte über zahlreiche, nur ungenügend begründete
Festnahmen. Teilweise wurden Personen Tatvorwürfe gemacht, die für
uns als Beobachter eindeutig im Widerspruch zu ihrem Aufenthaltsort
standen. Der Einschüchterungseffekt der von willkürlichen
Festnahmen ausgeht, sollte von der Polizei mit bedacht werden – es
kann nicht der gewünschte Effekt sein, dass Bürger sich aus Angst
vor unbegründeten Festnahmen nicht mehr trauen ihre
Demonstrationsfreiheit auszuüben. Da das Demonstrationsrecht vor
allem ein Abwehrrecht gegen den Staat bildet, kann dieser Effekt auch
nicht mit einem Verweis auf die Wirkung von Gegendemonstrationen auf
die Demonstrationsteilnehmer von WOW legitimiert werden.
Als die Kundgebung von WOW beendet wurde und sie sich für eine Demonstration aufstellten, wurde es an der Hauptwache unruhig. Mehrere BFE-Einheiten mischten sich auf der Hauptwache unter die Teilnehmer der Gegendemonstration und sorgten dadurch für ein großes Durcheinander. Diese Maßnahme wirkte in keiner Weise deeskalierend. Aufgrund der zahlreichen Gegenproteste konnten die Teilnehmer von WOW nur wenige Meter innerhalb der Absperrung laufen. Währenddessen haben die Anhänger von WOW mehrfach als Gruppe den Hitlergruß gezeigt und es wurde eine Flasche auf die Gegendemonstranten geworfen. Die Polizei duldete diese Straftaten und schritt nicht ein. Besonders schockiert waren wir von dem Bericht eines Journalisten, der von Teilnehmern des WOW bedroht wurde. Dies stellt einen Angriff auf die Pressefreiheit dar, der auch von der Polizei hingenommen wurde.
Hier
ist auch anzumerken, dass die Polizei den Aufzug von WOW auf dem
angemeldeten Demonstrationsgebiet der Gegenkundgebung des
Römerbergbündnisses ermöglicht hat, das als „Schutzbereich“
mit Gittern umstellt war.. Warum der Aufzug von WOW Vorrang vor
einer angemeldeten Kundgebung des Römerbergbündnisses hat, wurde
uns nicht klar und konnte uns auf Nachfragen auch von den
Polizeikräften vor Ort nicht erklärt werden.
Über
den Tag verteilt, wurden immer wieder über kleinere Gruppen
gewaltbereite Hooligans berichtet, die in der Stadt unterwegs waren.
Trotz Polizeikräften vor Ort kam es zu Übergriffen durch ebendiese
in der B-Ebene der Hauptwache.
Einschätzungen
zum Vorgehen der Polizei
Kommunikationsstrategie
Die Einsatzkräfte der Polizei wirkten den ganzen Tag über sehr
nervös. Mit dieser Angespanntheit ist vielleicht auch ihre
suboptimale Kommunikationsstrategie gegenüber den Teilnehmern der
Gegendemonstration zu erklären. Wiederholt wurden Maßnahmen nicht
angekündigt und/oder begründet, Absprachen mit den Anmeldern von
Kundgebungen und Aufzügen wurden nicht eingehalten, die Teilnehmer
wurden immer wieder unbegründet oder unverhältnismäßig
angegangen.
Ein kurzes Schlaglicht soll hier auch auf die Twitter-Tätigkeit der
Polizei geworfen werden – friedliche Blockaden, wurden dort als
unfriedlich beschrieben. Dies erhöht nicht das Vertrauen der
Demonstranten in die Polizei – sie fühlen sich vielmehr nicht
ernst genommen. Das Auftreten und vor allem die
Kommunikationsstrategie der Polizei, die vieles nicht ankündigte,
begründete oder sogar in die Irre führte, hinterlässt ein Gefühl
des Misstrauens gegenüber zukünftigen Mitteilungen der
Polizeikräfte, das nicht beabsichtigt gewesen sein kann.
Ungleichbehandlungen
der Demonstrationen
Auffällig war, dass die Polizei Verstöße der Teilnehmer der
Veranstaltung von WOW deutlich unterschiedlich behandelte als die
Verstöße der Gegendemonstranten. Das Zeigen von Hitlergrüßen, das
Werfen einer Flasche und das Beschimpfen und Bedrohen von
Journalisten und den Teilnehmern der Gegendemonstration wäre aus
unserer Sicht ein Grund gewesen, diese Versammlung als nicht mehr
friedlich einzuordnen. Die Polizei ging aber gegen die ausführenden
Personen im Rahmen dieser Versammlung überhaupt nicht vor.
Zudem wurde das Gebiet der Kundgebung des Römerbergbündnisses
beschnitten, um dort den Aufzug von WOW innerhalb der Absperrung
durchzuführen.
Im Rahmen der Gegenproteste führte bereits ein zu hoch gehaltenes
Transparent zu einem massiven Durchgreifen der Polizei. Bei deutlich
geringeren Anlässen wurden Personalien festgestellt und der
Schlagstock und Pfefferspray eingesetzt. Teilweise löste bereits das
Fortbewegen in Gruppen polizeiliche Maßnahmen aus.
Insgesamt
ist der Polizeieinsatz gegen die Gegendemonstranten als sehr
unkoordiniert, unvorsichtig, gewaltbereit und eskalierend zu
bewerten. Ein Anzeichen hierfür sind auch die zahlreichen
Verletzten, die wir gesehen haben.
Es
wiederholte sich, was wir auch schon zu den Einsätzen im Rahmen der
Proteste von „Pegida Rhein-Main“ und den „Freien Bürgern für
Deutschland“ geschrieben haben:
„Aufgabe
der Polizei ist es, die Versammlungsfreiheit aller Bürger zu
gewährleisten und auch Gegenprotest zu ermöglichen.
Selbstverständlich ist es Aufgabe der Polizei, Demonstrationen vor
Angriffen durch Gegendemonstranten zu schützen – dies darf aber
nicht so weit gehen, dass der gesamte Gegenprotest kriminalisiert,
durch polizeiliche Maßnahmen eingeschüchtert oder erschwert wird.“
(IfDB FfM 02.06.2015)
Maßnahmen
der Polizei
Es
sollen sich Teilnehmer der Gegendemonstrationen vermummt haben, und
es sollen auch Eier geworfen worden sein – dies sind Gründe für
polizeiliche Maßnahmen. Jedoch haben die Polizeikräfte jedes Mal
ohne Aufforderung oder irgendeine erdenkliche Kommunikationsform
direkt mit Gewalt reagiert. Außerdem hat die Polizei konstant die
Gegenproteste gefilmt, auch wenn keine konkrete Gefahrensituation
bestand.
Der
Einsatz der Polizei war sehr hektisch, was sie selbst auch auf
Twitter eingestanden haben.
Die
Polizei setzte von Beginn an auf den Einsatz von sehr vielen
Zivilbeamten. Die eingesetzten Communicators der Polizei waren
an Orten, an denen es hektischer zuging nicht vor Ort. Eine
Bereitschaft zur Deeskalation war seitens der Beamten nicht
ersichtlich.
Wir
selbst haben keine körperlichen Übergriffe auf Polizeibeamte
beobachtet. Die Polizei hat aber berichtet, dass ein Zivilbeamter
angegriffen wurde. Dies wäre natürlich bedauerlich. Gleichzeitig
ist der großflächige und für jeden Demonstrationsteilnehmer auch
sichtbare Einsatz ebendieser ein ständiges Misstrauensvotum
gegenüber den Demonstrationsteilnehmern, der auch
einen einschüchternder Effekt erzielt, der engagierte Bürger in
Zukunft davon abhalten könnte, sich den Protesten anzuschließen.
Der permanente Einsatz von Zivilbeamten, der auch bei friedlichen
Demonstrationen unseren Beobachtungen nach aktuell zur Regel geworden
ist, sollte von den Polizeikräften nochmals überdacht werden. Dies
sendet kein deeskalierendes Signal und gibt den
Demonstrationsteilnehmern ein Gefühl der permanenten Beobachtung.
Als
ähnlich problematisch erachten wir auch Festnahmen, die nur
mangelhaft begründet werden. Tatvorwürfe, die bereits aus den
Gegebenheiten der Festnahme heraus offensichtlich widersprüchlich
sind, haben einen einschüchternden Effekt ohne der Strafverfolgung
dienlich zu sein.
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