Die Initiative für Demokratie und Bürgerrechte Frankfurt am Main kritisiert, dass die CDU-Fraktion Frankfurt in ihrem Positionspapier „Sicheres Frankfurt“ unter dem Schlagwort „Sicherheit und Ordnung“ ihre eigenen Vorstellung, wie, von wem und in welcher Art und Weise städtischer Raum genutzt werden sollte, durchzusetzen versucht. In diesen Ausführungen wird weder die Kriminalstatistik Frankfurt für das Jahr 2014 angemessen und ausgewogen berücksichtigt, noch deutlich gemacht und belegt auf welchen Statistiken und wissenschaftlichen Erkenntnissen die Annahmen der CDU-Fraktion Frankfurt beruhen.
Zudem kritisiert die Initiative das zugrunde liegenden Argumentationsmuster der Fraktion und wirft ihr vor, sich die alleinige Definitionsmacht darüber zuzuschreiben, welches Verhalten in der Stadt Frankfurt erwünscht und welches unerwünscht ist, sowie welche Menschen schützenswerte Bürgerinnen und Bürger Frankfurts sind und welche nicht. Auch kritisiert die Initiative strukturell rassistische Grundannahmen des Textes, da Probleme von Ordnung, Sicherheit und Sauberkeit immer wieder im Zusammenhang mit Zuwanderung und kulturell abweichendem Verhalten diskutiert werden.
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Die
CDU-Fraktion Frankfurt hat am 22. April ein „Sicherheitskonzept“
mit dem Titel „Sicheres Frankfurt“ veröffentlicht. Als
Initiative, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Recht auf freie
Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit gegen staatliche
Eingriffe zu schützen und staatliche Übergriffe sichtbar zu machen,
haben wir das Gefühl, dass dieses Positionspapier nicht
unkommentiert bleiben darf. Das Verständnis der CDU-Fraktion
Frankfurt für Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum ist
derart gestaltet, dass es Ungleichbehandlung, Ausgrenzungen und
Grundrechtsverstöße impliziert und in manchen Fällen sogar
explizit nahelegt.
Wir
werden im Folgenden zum einen die Annahmen der CDU Frankfurt im
Vergleich mit der Kriminalstatistik 2014 für Frankfurt einem
Realitätscheck unterziehen. Zum anderen wollen wir die rechtlichen,
sowie die stadtpolitischen Implikationen der Vorschläge aus Sicht
der betroffenen Bürgerinnen und Bürger kritisch hinterfragen.
1. Realitätscheck
Das
sicherheitspolitische Positionspapier der CDU bezieht sich in der
Einleitung auf die Kriminalstatistik für Frankfurt (S.2). Als
Gefahren für die öffentliche Sicherheit sieht die CDU nun vor allem
Straftaten, die Verunreinigung des öffentlichen Raums und
städtebauliche Angsträume. Warum die „Förderung
von Sauberkeit und Ordnung des öffentlichen Raumes“
(S.2) ein fundamentaler Beitrag zur Gewährleistung der „Sicherheit
der Menschen in unserer Stadt“
(S.2) sei, wird aus dem Text heraus nicht klar und ist für uns auch
nicht nachvollziehbar. Ebenso bleibt unklar, warum häusliche und
sexualisierte Gewalt in diesem Konzept keine Beachtung finden. Ein
Blick in die aktuelle Kriminalstatistik für Frankfurt zeigt, dass
diese Delikte in den letzten Jahren erheblich angestiegen sind. In
Bezug auf Fälle häuslicher Gewalt wurde erstmals seit 2007 wieder
ein überdurchschnittlicher Wert erreicht (Polizeiliche
Kriminalstatistik 2014, S.15f.) und auch Straftaten gegen die
sexuelle Selbstbestimmung (abgesehen von Delikten in Zusammenhang mit
verbotswidriger Prostitution) sind angestiegen (Polizeiliche
Kriminalstatistik 2014, S.8f.). Dieser Problembereich, in dem
dringend eine Sensibilisierung für Gewalt innerhalb von Familien
sowie für sexualisierte Gewalt nötig wäre – die eben kein rein
privates sondern ein öffentliches
Problem sind, und damit auch das „Grundbedürfnis
der Menschen“
in Frankfurt nach „Sicherheit und Ordnung“ (S.2) betreffen –
bleiben in dem Sicherheitskonzept der CDU leider komplett
unberücksichtigt.
Ernstzunehmende
Sicherheitspolitik muss nach unserer Ansicht vor allem die physische
und psychische Unversehrtheit der Bürgerinnen und Bürger im Blick
haben, und nicht die Unversehrtheit von Bürgersteigen und
Hausfassaden.
Ein
besonderes Augenmerk wird in dem Sicherheitskonzept auf den
Themenbereich Vandalismus/Sachbeschädigung gelegt. Hier wird vor
einer „zunehmende[n]
Gewalt gegen Sachen und Vandalismus“
gewarnt. Diese sei „oft
Ausdruck einer Verrohung der betreffenden Täter, die nicht selten
Ankündigung schlimmerer Straftaten ist. Auch verdienen es die
Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt, sie vor Vandalismus [zu]
schützen, auch deswegen, weil sie als Steuerzahler täglich hart
arbeiten, um der Stadt Einrichtung und Pflege öffentlicher Anlagen
und Einrichtungen zu ermöglichen“
(S.8). Aus der Kriminalstatistik ergibt sich hingegen, dass der
Schaden, der 2014 durch Sachbeschädigungsdelikte entstanden ist,
sehr gering ist – am Gesamtschaden durch Kriminalität in Frankfurt
macht er einen Anteil von unter 0,05% aus. Der Schaden aus „Sonstigen
Straftatbeständen nach StGB“, worunter auch
Sachbeschädigungsdelikte fallen, ist 2014 um 52,9% im Gegensatz zum
Vorjahr zurückgegangen. Zum Vergleich: Wirtschaftskriminalität
machte 2014 56,3% des Gesamtschadens aus, nämlich etwa 103 Mio. €.
Ein Sicherheitskonzept, dass sich auf dieses Kriminalitätsfeld
konzentriert, würde den Frankfurter Steuerzahler wohl um ein
Vielfaches mehr entlasten.
Insgesamt
lässt sich der Einschätzung, dass Frankfurt „eine sicher sichere
Stadt“ (S.2) sei, nur zustimmen. Gleichzeitig zeigt sich, dass die
Schwerpunktsetzung der CDU nicht an den wirklichen
Gefahrenpotentialen des städtischen Alltags orientiert ist.
Aufbauend
auf der überhöhten Darstellung von Kriminalität in Frankfurt in
den Medien wirken die Ausführungen der CDU wie eine politisch
instrumentalisierte Dramatisierung. Dass das Papier ohne belegte
Bezüge auf Statistiken und Wissenschaftliche Erkenntnisse auskommt,
verstärkt diesen Eindruck noch.
Es
scheint, in Auseinandersetzung mit den Fakten, als ob die CDU unter
dem Deckmantel der Gefahrenabwehr ihre eigenen Vorstellung, wie, von
wem und in welcher Art und Weise städtischer Raum genutzt werden
sollte, durchzusetzen versuchen.
2.
Die rechtlichen und stadtpolitischen Implikationen der Vorschläge
der CDU-Fraktion Frankfurt
Auffallend
im „sicherheitspolitischen Positionspapier“ der CDU-Fraktion
Frankfurt ist, dass wenig explizit gesagt, aber viel unterschwellig
gefordert wird. Durch das ganze Dokument zieht sich die
unterschwellige Annahme der CDU-Fraktion, alleine definieren zu
können, welches Verhalten in der Stadt Frankfurt erwünscht und
welches unerwünscht ist. So soll beispielsweise öffentlicher
Alkoholkonsum im Bahnhofsviertel teilweise untersagt werden (S.9) –
nicht hingegen am Friedberger Platz, wo es in der Vergangenheit zu
vehementen Anwohnerprotesten gegen den Freitagsmarkt kam. Auffällig
ist hierbei, dass sich diese beiden Konsumorte einzig durch ihr
Klientel, nicht jedoch durch die mit dem Alkoholkonsum einhergehenden
negativen Nebeneffekte (Vermüllung, wildes Urinieren etc.),
unterscheiden. Während im Bahnhofsviertel vor allem sozial Prekäre
und Suchtkranke öffentlich Alkohol trinken, trifft sich im Nordend
wöchentlich die gehobene Mittelschicht Frankfurts.
Es
liegt somit die Annahme nahe, dass soziale Konflikte nicht als solche
benannt werden, sondern als Sicherheitsprobleme gelöst werden
sollen. Sozial unerwünschtes Verhalten wird kriminalisiert und
Menschen, die aus dem Raster fallen, werden verdrängt. Dabei sollte
der öffentliche Raum allen Menschen gleichermaßen offen stehen und
allen zugänglich sein, solange keine strafrechtlich relevanten
Abweichungen damit einhergehen.
Soziale
Probleme werden nicht gelöst, indem man das Ordnungsrecht so
anpasst, dass unerwünschte Personen und Verhaltensmuster
ausgeschlossen werden!
Um
ihre ordnungspolitischen Vorstellungen durchzusetzen, schlägt die
CDU-Fraktion vor, den öffentlichen Raum verstärkt per
Videoüberwachung zu kontrollieren (S.9). Die CDU stellt dabei die
These auf, „dass
bereits die Gegenwart von Videotechnik Straftaten verhindern
kann“(S.9).
Diese
Annahme wird nicht belegt und ist zudem wissenschaftlich zumindest
umstritten (vgl.
bspw. Brandt 2004: Wirkungen situativer Kriminalprävention).
Außerdem wird mit keinem Satz erwähnt, dass durch
Videoüberwachungsmaßnahmen grundsätzlich quantitativ immer mehr
unbescholtene Bürgerinnen und Bürger in ihren Grundrechten verletzt
werden als tatsächlich Delinquenten aufgezeichnet werden. Diese
Maßnahmen sind somit regelmäßig als unverhältnismäßig
einzustufen.
Die
grundlegende Haltung der CDU-Fraktion Frankfurt – entscheiden zu
können, welches Verhalten im öffentlichen Raum legitim sei –
zeigt sich auch in ihrer ganz eigenen Interpretation politischer
Grundrechte. So steht in dem Positionspapier: „Die
CDU-Fraktion (…) wird sich gemeinsam mit Magistrat und den
Sicherheits- und Ordnungsbehörden auch weiterhin dafür einsetzen,
dass die Menschen in dieser Stadt von ihrem Recht auf freie
Meinungsäußerung ungehindert Gebrauch machen können. Nach unserer
Überzeugung obliegt es in einer rechtsstaatlichen Gesellschaft
ausschließlich den Gerichten und nicht etwa dem Einzelnen, darüber
zu entscheiden, ob die Meinung Andersdenkender vom Recht auf freie
Meinungsäußerung gedeckt ist oder nicht.“ (S.10)
Hier
liegt offenbar ein juristischer Irrtum in Bezug auf die Reichweite
des Grundrechts der Versammlungsfreiheit und der Reichweite des
Rechts auf freie Meinungsäußerung vor. Diese umfassen nicht nur das
Recht zu sagen oder zu zeigen, welche Haltung man in politischen und
gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen einnimmt, sondern
auch das Recht des Einzelnen öffentlich kundzutun, dass sie oder er
mit einer von einer anderen Person vertretenen Meinung gerade nicht
einverstanden ist.
Die CDU-Fraktion verkennt offenbar, dass diese Grundrechte vor allem
Abwehrrechte gegen den Staat bilden, und entgegenstehende
Meinungsäußerungen anderer Bürger und Bürgerinnen gar nicht
unbedingt dazu geeignet sind, diese Grundfreiheiten einzuschränken.
Eine Demonstration in Frankfurt, die sich einem PEGIDA-Aufzug
entgegenstellt, kann sich – ebenso wie PEGIDA selbst – auf diese
Grundrechte berufen, ohne damit die Grundrechtsausübung von PEGIDA
einzuschränken. Die
CDU entfernt sich mit ihrer, wenn auch nur sehr kurzen und wenig
präzisen, Argumentation von dem Boden der Verfassung.
Ein
letztes Beispiel für problematische implizite Annahmen, die sich im
Positionspapier finden lassen, stellt die unterschwellig rassistische
Grundstruktur dar. Dies wird nicht explizit ausformuliert, die
Argumentationsführung ist aber offensichtlich strukturell
rassistisch.
Um
nur ein paar Beispiele zu nennen: Der Punkt „Bewältigung von
Armutseinwanderung“ im Dokument ist ein Paradebeispiel wie wenig
gesagt, aber viel gemeint wird. Zum einen erscheint es uns bereits
prinzipiell fragwürdig in einem sicherheitspolitischen Papier den
Punkt „Armutseinwanderung“ aufzunehmen. Dies ließe sich nur
rechtfertigen, wenn man davon ausginge, dass „kriminelle Ausländer“
eine besondere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit in Frankfurt
darstellen würden. Warum die CDU-Fraktion Frankfurt dieses Thema
aufgreift, bleibt im Dokument selbst dann auch vage: „Die
im Zusammenhang mit der zunehmenden Armutseinwanderung
festzustellenden Probleme sind von der Stadt Frankfurt nicht alleine
zu lösen.“
(S.8) Was diese Probleme sind, wird im Unklaren gelassen. Dass hier
offenbar auf Phänomene wie „lagerndes
Betteln“,
„Alkoholkonsum
im öffentlichen Raum“
oder auch „aggressives
Betteln“
abgestellt werden soll, liegt nahe, da genau diese Punkte im nächsten
Absatz aufgegriffen werden. Die CDU-Fraktion Frankfurt bedient damit
rassistische und auch antiziganistische Stereotype über sogenannte
„Armutszuwanderer“. Anstatt hier die sozialpolitische Problematik
obdachloser, strukturell benachteiligter oder einfach verarmter
Menschen in Frankfurt zu diskutieren und nach Lösungsansätzen zu
suchen, die eine Hilfe für die betroffenen Menschen darstellen, soll
auch hier über die Sicherheitspolitik ein soziales Problem „gelöst“
werden.
Wenn
der Frankfurter Ordnungsdezernt im FR-Interview zum Erscheinen des
„sicherheitspolitischen Positionspapier“ ausführt: „Nein,
es ist auch nicht das Ziel, ein klinisch reines Bahnhofsviertel zu
haben. Dann wäre es nicht mehr das Bahnhofsviertel, wie viele
Frankfurter es ja auch mögen. Diese Internationalität und diese
Kiezigkeit – sagt man das überhaupt? – das ist einmalig und
authentisch für unser Bahnhofsviertel.“,
zeigt sich diese Denkstruktur in perfider Art und Weise. Ein klinisch
reines Bahnhofsviertel ist nicht möglich, weil dann die
„Internationalität“ verloren ginge. Der hier implizit
aufgezeigte Zusammenhang zwischen der Anwesenheit von Ausländern und
der Nicht-Sauberkeit des Bahnhofsviertel ist mehr als fragwürdig und
bringt die kritisierte implizite Argumentationsstruktur des
„sicherheitspolitischen
Positionspapiers“
auf den Punkt:
Die
Sicherheit der Frankfurter Bürgerinnen und Bürger wird permanent
mit ordnungspolitischen und sicherheitspolitischen Maßnahmen gegen
das Verhalten abweichender, anderer Gruppen verteidigt: Menschen, die
als Alkoholiker, Drogenabhängige, Ausländer etc. eingeordnet
werden, und sich scheinbar nicht den von der CDU erwünschten
sozialen Normen anpassen, finden in dem Frankfurt, das sich die
CDU-Fraktion Frankfurt wünscht, keinen Platz.
Am
5.5.2015 will die CDU-Fraktion Frankfurt im Westend mit dem
Frankfurter Ordnungsdezernenten Markus Frank (CDU) darüber
diskutieren, wie sicher Frankfurt ist. Wir empfehlen Ihnen, ihre
Grundannahmen noch einmal zu überdenken und ihre Sicherheitspolitik
im Sinne einer wirklich „weltoffene[n] und liberale[n] Stadt“
(S.2) zu überarbeiten und zu redefinieren.