Dienstag, 3. Mai 2016

AfD-Parteitag in Stuttgart am 30.04 - Bericht zum Polizeieinsatz gegen Gegendemonstranten


Berichte aus der Gefangenensammelstelle – Dokumentation einiger Rechtsbrüche der Polizei

 

Im Rahmen der Proteste gegen den AfD-Parteitag am 30. April 2016 auf dem Messegelände in Stuttgart kam es zu zahlreichen Ingewahrsamnahmen durch die Polizei. Etwa 900 Personen wurden in die provisorische Gefangenensammelstelle in der Messehalle 9 gebracht. Hierbei kam es zu unzähligen, teils gravierenden, Grund- und Menschenrechtsverletzungen. Einzelne Gefangene berichteten von massiven körperlichen und sexuellen Übergriffen durch Polizeibeamte. Es brachen auch mehrere Personen aufgrund der desolaten Haftbedingungen und der strapaziösen Gesamtumstände zusammen und mussten ärztlich versorgt werden.
Die Gesamtheit der Rechtsbrüche durch die Polizei ist so umfangreich, dass eine umfassende Darstellung nicht möglich ist. Da die schockierenden Vorkommnisse, bis auf einen Artikel in der Tageszeitung neues deutschland, kaum Beachtung gefunden haben, soll im Folgenden eine Darstellung erfolgen.
Hierbei stützen wir uns auf unsere eigenen Beobachtungen vor Ort, sowie auf Gedächtnisprotokolle inhaftierter Einzelpersonen.

Bei dem Polizeieinsatz gegen die Demonstranten wurden massiv Grund- und Menschenrechte verletzt. Die ergriffenen Maßnahmen gegen ca. 900 Personen sind auch durch vereinzelte Straftaten, beispielsweise Böllerwürfe und angezündete Autoreifen, nicht zu rechtfertigen. Die meisten festgesetzten Demonstranten wurden so lange festgehalten, dass sie an der für 13.00 Uhr angemeldeten Demonstration gegen die Politik der Partei Alternative für Deutschland nicht mehr teilnehmen konnten. Von einzelnen Polizeibeamten wurde dies sogar als explizites Ziel der Maßnahme benannt. Die Polizei kündigte ebendies auch in einer Pressemitteilung vor den Protesten an: „Wer auf der Messe negativ auffällt wird die Demonstration in Stuttgart kaum mitbestreiten können.“ (Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Reutlingen vom 27.04.2016).
So entsteht der Eindruck, dass es der Polizei gerade darauf ankam, das von ihr im Vorfeld der geplanten Proteste gezeichnete Szenario Wirklichkeit werden zu lassen. Die Ingewahrsamnahme von mehr als 900 Personen stellt einen massiven Angriff auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit dar. Der Staat kann nicht wegen einzelner Straftaten komplette Versammlungen festsetzen, um die Demonstranten an der Teilnahme an einer angemeldeten, friedlichen Demonstration zu hindern. Das ist grob unverhältnismäßig. Im vorliegenden Fall wäre die Polizei zunächst gehalten gewesen, gegen einzelne Störer Platzverweise auszusprechen und die übrigen Versammlungsteilnehmen nicht zu behelligen.

Hinzu kommt, dass sich alle festgesetzten Demonstranten unnötig lange in Gewahrsam befanden, die meisten für mehr als 12 Stunden. In dieser Zeit wurden sie nicht oder nur mangelhaft mit Informationen versorgt, den wenigsten wurde der Grund ihrer Festnahme erläutert. So ist bis heute unklar, ob die Ingewahrsamnahmen auf Grundlage von Gefahrenabwehrrecht oder auf Grundlage der Strafprozessordnung erfolgte.
Auch Telefonate mit Anwälten waren nicht möglich und wurden aktiv verhindert. Seitens einiger Richterinnen vor Ort wurde immer wieder mit einer Gewahrsamsfortdauer bis 20.00 Uhr des Folgetages gedroht, für den Fall, dass die Aussage verweigert wurde. Es ist aber ein fundamentales Recht, die Aussage in einem solchen Fall zu verweigern. Diese Methoden grenzen an Nötigung.

Allgemein ergibt sich aus allen Berichten, dass die Festgesetzten höchst unzureichend mit Nahrungsmitteln und Getränken versorgt wurden. Entgegengesetzte Darstellungen der Polizei sind schlichtweg falsch.
Auch gab es nur sehr sporadisch Zugang zu Toiletten, Waschgelegenheiten gab es gar nicht.
Teilweise wurde sogar der Zugang zu Medikamenten für kranke Personen nicht gewährleistet, auch auf mehrmaliges Nachfragen wurde dieser nicht sichergestellt. Asthmatikern wurde ihr Asthmaspray vorenthalten, Diabetikern ihr Insulin, Allergiker hatten keinen Zugriff auf ihre Notfallmedikation. Auch Frauen, die ihre Periode hatten, durften nicht zur Toilette und bekamen keine Hygieneartikel zur Verfügung gestellt.
Diese desolaten, teilweise folterähnlichen Zustände führten zu zahlreichen physischen und auch psychischen Zusammenbrüchen der Gefangenen.

Besonders gravierend stellte sich die Situation in den sogenannten Sammelzellen dar. In diesen gehegeähnlichen Konstruktionen fühlten sich die Gefangenen wie Tiere behandelt. Es gab weder Sitzgelegenheiten, noch einen ausreichenden Sichtschutz vor den Blicken der Polizeibeamten. Auch konnten die Zellen durch am Hallendach befestigte Kameras gefilmt und eingesehen werden. Hierdurch entstand ein Gefühl der permanenten Überwachung. Zudem waren Personen auch innerhalb der Zellen über mehrere Stunden mit Kabelbindern gefesselt. Dadurch waren für sie Trinken und Nahrungsaufnahme sowie eigenständige Toilettengänge unmöglich. Die festgesetzten Personen wurden immer wieder gezielten Demütigungen und Bedrohungen seitens der Polizeibeamten ausgesetzt, denen sie hilflos ausgeliefert waren. Auch war subjektiv ein Ende dieser Lage nicht absehbar. Zudem drangen immer wieder Polizeibeamte in die Zellen ein und es kam zu körperlichen Übergriffen auf die bereits wehrlosen Personen.
Diese Art der Objektivierung von Menschen stellt einen Verstoß gegen die Menschenwürdegarantie dar und ist daher aufs Schärfste zu verurteilen. Die Polizei als Organ des Staates ist in besonderem Maße an die Grund- und Menschenrechte gebunden und darf ein solchen Verhalten nicht an den Tag legen.

Diese allgemeine Einschätzung deckt selbstverständlich nicht alle Einzelfälle ab, in denen Personen unter besonderes widrigen Bedingungen festgehalten, misshandelt, beleidigt und Opfer sexistischer Übergriffe wurden. Auch die vielen Minderjährigen, die rechtswidrig stundenlang festgehalten wurden, ohne dass ihre Eltern informiert wurden, und die festgesetzten Pressevertreter können hier nur kurz genannt werden.

Insgesamt ist dieser Polizeieinsatz skandalös – wir rechnen damit, dass es ein rechtliches Nachspiel geben wird. Wir gehen auch davon aus, dass Betroffenen der Maßnahme einen Anspruch auf Entschädigung und Rehabilitation zusteht.

Kontakt:

0157/53328993


_________________________________________________


Darstellung dreier Einzelfälle – was geschah


Um 7.22 Uhr am Morgen des 30. April 2016 teilte die Polizei einer größeren Gruppe von ca. 450 Personen auf einer Kreuzung in der Nähe der Messe Stuttgart mit, dass sie sich nun in Polizeigewahrsam befänden. Zuvor hatte diese Gruppe versucht, eine Kreuzung zu blockieren und war dabei von bayerischen und baden-württembergischen Polizeikräften eingekesselt wurden, dabei kam es zu vereinzelten Böllerwürfen.
Dieser Kessel wurde anschließend von der Polizei nach und nach geräumt – Einzelpersonen wurden herausgezogen und weggebracht. Dieser Prozess begann um ca. 8.00 Uhr und endete um ca. 12.00 Uhr.
Bereits hierbei ging die Polizei unverhältnismäßig brutal vor: So wurden allen Personen die Hände mit Kabelbindern auf dem Rücken gefesselt, Einzelpersonen wurden bei den Festnahmen verletzt. Nicht alle festgesetzten Personen wurden gleichbehandelt, vielmehr wurden willkürlich und ohne erkennbare Logik unterschiedliche Maßnahmen angewandt.

Im Folgenden werden wir drei idealtypische Einzelfälle dokumentieren.

A) Nina1, 19 Jahre alt, 13 Stunden in Gewahrsam

Nina wurde um 10.30 Uhr brutal aus dem Kessel herausgezogen. Zwei Polizisten fixierten sie mit Kopf und Knie auf dem Boden und verdrehten ihr die Arme. Dabei wurde sie auch von einem der Einsatzkräfte aus BaWü sexualisiert beleidigt: „Das ist anscheinend deine sexuelle Lieblingspose!“
Nachdem ihr die Hände mit Kabelbindern auf dem Rücken gefesselt wurden, wurde sie an diesen hochgehoben, sodass ihre Füße den Bodenkontakt verloren – dabei wurden ihre Arme erneut sehr schmerzhaft verdreht, sie hatte Angst, dass ihre Schultern ausgekugelt werden. Anschließend wurde sie vor Ort zu einer Kamera getragen. Diese Maßnahme wurde mit dem Vorwurf des Widerstandes begründet. Nachdem sie von vorne und der Seite fotografiert wurde, brachten Einsatzkräfte sie in einen Kleinwagen, in dem sie mit vier anderen Personen saß. Keiner der Personen wurde angeschnallt, alle hatten ihre Hände auf dem Rücken gefesselt und konnten sich daher nicht festhalten. Es folgte eine schnelle, kurvenreiche Fahrt zur Messehalle 9, wobei die Personen immer wieder im Auto herumgeschleudert wurden. Einem Mitinsassen, der an Diabetes leidet und sich im Zustand der Überzuckerung befand, wurde sein Insulin verweigert und auch kein Arzt gerufen. Sein körperlicher Zustand verschlechterte sich dadurch rapide.
Der Kleinwagen stand mit verdunkelten Scheiben in der Messehalle – keinem Beamten war es möglich einzusehen, wie es den dort eingesperrten Personen erging.
In diesem gesamten Zeitraum war es den dort gefesselt eingesperrten Personen daher nicht möglich etwas zu trinken, zu essen oder die Toilette zu besuchen. Nach einer Wartezeit von ca. einer Stunde wurden nach und nach die männlichen Personen aus dem Kleinbus herausgeholt. Nina blieb ganz alleine bei geschlossenen Türen für ca. 5 Stunden im Kleinwagen. Ihr wurde in dieser Zeit Essen, Trinken und der Toilettengang verweigert. Erst um ca. 16.00 Uhr war es Nina möglich die Toilette zu besuchen und eine Zigarette zu rauchen, Essen und Trinken blieben ihr auch auf mehrmaliges Nachfragen verwehrt. Danach wurden die Hände mit Kabelbindern vorne gefesselt.
Das mittlerweile 6-stündige Eingesperrtsein in dem sehr warmen Kleinbus mit schlechter Luft ohne Essen und Trinken führte zu Kopfweh und Schwindel.
Um ca. 17.00 Uhr – aufgrund der langen Wartezeit hatte die Betroffene das Zeitgefühl verloren – wurden ihr ihre Tasche und Jacke abgenommen. Eine gefühlte halbe Stunde später wurde diese in ihrem Beisein durchsucht – was dazwischen damit passierte, ist unklar. Im Anschluss wurden die Personalien aufgenommen und erneut Fotos von Nina gemacht. In einem Durchsuchungszelt – mit geöffnetem Reißverschluss, von außen einsehbar – musste sich Nina komplett ausziehen. Obwohl sie nackt war, wurde sie nochmal von zwei Frauen abgetastet – diese Maßnahme ist reine Schikane. Anschließend wurden ihre Tattoos und Narben fotografiert. Auch nach mehrmaligen Nachfragen wurde es Nina verweigert, zu telefonieren.
In diesem gesamten Prozess wurde es ihr einmal kurz erlaubt zu trinken, es war ihr immer noch nicht erlaubt zu essen. Anschließend wurde sie in eine Einzelzelle in einem Gefangenentransporter verbracht, der auch im Inneren der Messehalle stand. Dabei wurde ihr angedroht, dass sie bis 20.00 Uhr am Folgetag dort bleiben müsse. Nach einiger Zeit wurden drei weitere Frauen in die ca. 2m² große Zelle gebracht. Es war sehr eng, die Luft war schlecht und es war extrem heiß. Da die anderen Personen nicht gefesselt waren wurden nun auch endlich Ninas Handfesseln gelöst. Um ca. 20.00 Uhr wurde Nina ein zweiter Toilettenbesuch zugestanden. Danach wurde sie, wieder gefesselt, zu einem eingegrenzten Platz in der Messehalle verbracht. Nach 12 Stunden bekam Nina dann zum ersten Mal etwas zu essen – ein Brötchen. Um 21.15 Uhr wurde Nina mit einem Bus vom Messegelände gebracht. Gegen sie wurde ein Platzverweis ausgesprochen. Sie hatte über 12 Stunden ohne richterliche Anordnung im Polizeigewahrsam verbracht. Ihre Hände waren blau und taub von den Handfesseln, sie hat Prellungen und blaue Flecken von der Festnahme. Der Bus setzte sie an einer S-Bahnhaltestelle außerhalb von Stuttgart aus.

B) Lena2, 30 Jahre alt, 12 Stunden in Gewahrsam

Lena wurde bereits gegen 8.20 Uhr aus dem Polizeikessel abgeführt. Auf Nachfrage, aus welchem Grund sie in Gewahrsam genommen werde, erhielt sie keine Antwort. Stattdessen wurden ihr, obwohl sie keinerlei Widerstand geleistet hatte, die Hände mit Kabelbindern auf dem Rücken fixiert. Diese wurden so eng angelegt, dass die Durchblutung der Hände nicht mehr gewährleistet war und sich nach etwa einer halben Stunde ein Taubheitsgefühl in der linken Hand einstellte.
Lena wurde vor Ort weder fotografiert, noch wurden ihre Personalien festgestellt. Sie musste sich mit anderen festgesetzten Demonstranten in eine Reihe stellen, bis sie von einem Linienbus abgeholt wurden. In den Linienbus wurden etwa 60 Personen gebracht, alle mit Handfesseln auf dem Rücken. Weil nicht ausreichend Sitzplätze vorhanden waren, mussten sich etwa 10 Personen auf den Boden setzen, außerstande, sich irgendwie festzuhalten. Nach einer kurzen Fahrt, während der einzelne Personen durch den Bus geschleudert wurden, kam der Bus gegen 10.20 Uhr vor der Gefangenensammelstelle an. Dort stand der Bus zunächst zwei weitere Stunden und heizte sich in der Sonne langsam auf. In dieser Zeit wurden den Gefangenen weder Nahrungsmittel, noch Getränke zur Verfügung gestellt, Toilettengänge wurden nur teilweise ermöglicht. Danach fuhr der Bus in die Messehalle, wo er eine weitere Stunde rumstand, die Gefangenen waren immer noch gefesselt, weswegen sie trotz einer mittlerweile unerträglichen Hitze nicht im Stande waren, ihre Winterjacken auszuziehen. Dann endlich wurden die Türen geöffnet, die Personen durften aussteigen. Endlich kam ein Polizeibeamter mit einer 0,5-Liter-Flasche Wasser, aus der er einzelnen Gefangenen zu trinken gab.
Lena wurde dann in ein Durchsuchungszelt gebracht, wo sie sich bis auf die Unterwäsche entkleiden musste. Nachdem sie und ihre Habseligkeiten durchsucht worden waren, wurde sie zu einer Kamera gebracht. Ihr wurde von einem Polizeibeamten mitgeteilt, dass sie verdächtigt werde, sich eines versuchten Landfriedensbruchs strafbar gemacht zu haben. Diesen Straftatbestand gibt es jedoch überhaupt nicht. Der Landfriedensbruch nach § 125 StGB stellt ein Vergehen dar, dessen Versuch nicht strafbar ist. Danach wurde sie einmal von oben bis unten abgefilmt, auch ihr Personalausweis wurde vor die Kamera gehalten. Dann nahmen die Polizeibeamten Lenas Sonnenbrille, die sie in ihrem Rucksack gefunden hatten, und sagten ihr, sie müsse diese aufziehen. Als sie dies verweigerte, wurde ihr die Sonnenbrille zwangsweise aufgesetzt, daraufhin wurde sie mit der Sonnenbrille abgefilmt.
Danach wurde Lena zu einem Computerarbeitsplatz gebracht, an dem zwei Polizeibeamte saßen. Diese gaben ihre Daten in den Computer ein. Lena teilte den Beamten mit, dass sie Widerspruch gegen die Ingewahrsamnahme und gegen das Abfilmen einlege und dass sie diesbezüglich eine schriftliche Bestätigung verlange. Dies wurde ihr versagt. Auf ihre Frage nach den Dienstnummern der Beamten und dem Namen des Einsatzleiters wurde nur geantwortet: „Das geht dich gar nichts an!“.
Lena fragte dann, was jetzt geschehe. Ihr wurde mitgeteilt, dass ihre persönlichen Gegenstände jetzt verwahrt würden und sie in eine Sammelzelle gebracht werde, „zur weiteren Bearbeitung.“ Lena kam dann in eine provisorische Zelle, diese war mittels Bauzäunen umgittert, etwa 6 x 6 Meter groß und mit Teppichboden ausgelegt. Dort befanden sich bereits etwa 15 weitere Frauen. Es gab mehrere angebrochene Wasserflaschen, die sich die Frauen teilen mussten, und eine nicht abschließbare Chemietoilette. Essen wurde Lena nicht zur Verfügung gestellt, auf Nachfrage wurde ihr von einem Polizisten vor der Zelle mitgeteilt, dass die Zelle schon Essen bekommen hätte, sie habe eben Pech gehabt. Zu diesem Zeitpunkt hatte Lena seit etwa neuen Stunden nichts gegessen.
Eine Zellenmitinsassin, die mit der Situation offensichtlich überfordert war, begann irgendwann aus Verzweiflung gegen die Bauzäune zu treten. Daraufhin stürmten mehrere männliche Polizeibeamte mit erhobenen Schlagstöcken in die Zelle und stießen das Mädchen zu Boden. Sie drückten sie mit dem Kopf auf den Teppich und legten ihr Handfesseln an. Dann wurde sie hochgerissen und brutal aus der Zelle geschubst und weggebracht. Die übrigen Zelleninsassinnen, unter ihnen auch einige Minderjährige, waren von dem Vorgehen derart schockiert, dass mehrere Mädchen aus Angst in Tränen ausbrachen.
Irgendwann wurde Lena dann aus der Zelle geholt und zu einer Richterin gebracht. Diese fragte sie, wie und wann sie zu der Blockade angereist war und wer die Anreise organisiert habe. Lena verweigerte die Aussage, woraufhin die Richterin ihr mitteilte, dass sie, wenn sie nicht aussage, anordnen würde, dass Lena bis zum nächsten Tag um 20.00 Uhr in Gewahrsam bleiben würde.
Nach der Vernehmung wurde Lena dann erkennungsdienstlich behandelt, ihr wurden Finger- und Handabdrücke mit Tinte abgenommen, sie wurde gemessen, gewogen und ihre Narben und Tattoos wurden fotografiert. Dann wurde sie in eine andere Sammelzelle gebracht.
Gegen 19.00 Uhr wurde Lena dann aus der Zelle abgeholt, ihr wurden ihre persönlichen Gegenstände ausgehändigt und sie musste sich in einen Bus setzen. Dieser fuhr sie dann zusammen mit etwa 15 weiteren Personen zu einer S-Bahn Endhaltestelle, wo sie aus dem Polizeigewahrsam entlassen wurde.

C) Marco3, 27 Jahre alt, 12 Stunden in Gewahrsam

Um ca. 11.00 Uhr wurde Marco brutal am Kopf aus dem Kessel gezogen. Anschließend wurden ihm die Hände mit Kabelbindern auf dem Rücken gefesselt. Dann musste er sich in der Sonne hinsetzen und auf einen Bus für seinen Abtransport warten. Nach ca. einer Stunde fuhr ein Linienbus „Sonderfahrt“ vor. Marco musste sich in den Bus setzen. Dort wartete er eine weitere Stunde bis der Bus mit Gefangenen gefüllt war. Einzelne Personen mussten sich mit gefesselten Händen auf den Fußboden setzen, andere standen. Keiner hatte die Möglichkeit sich festzuhalten. Auf diese Problematik angesprochen, reagierten die anwesenden Polizisten mit Schulterzucken, „das ist nicht unser Problem“.
Die Fenster konnten nicht geöffnet werden, sodass es im Bus sehr schnell sehr warm wurde. Der Bus fuhr anschließend auf den Platz vor der Messehalle 9. Dort wurde den Gefangenen das Aussteigen aus dem Bus verwehrt. Nach einer Stunde stiegen die Gefangenen trotzdem aus dem Bus aus, da es in diesem unerträglich heiß und stickig wurde. Bis dahin gab es seit etwa 3 Stunden keine Versorgung mit Wasser und Essen und keine Möglichkeit eine Toilette zu benutzen. Vereinzelt durften nun Personen zur Toilette, einer Chemietoilette in der Messehalle. Hierbei wurde es den Gefangenen nicht ermöglicht, sich die Hände zu waschen, was insbesondere bei einem Mädchen, welches gerade seine Periode hatte und seinen Tampon gewechselt hatte, auf Unmut stieß. Wer etwas trinken wollte, musste sich von einem Beamten Wasser in den Mund gießen lassen, was von vielen Gefangenen als demütigend empfunden wurde.
Einige junge Frauen wurden dabei von männlichen Polizisten kommentiert: „Du bist doch ein junges, hübsches Ding, du hast es doch gar nicht nötig, mit denen abzuhängen, treff dich doch lieber mit uns.“ Im Laufe der Zeit fuhren drei weitere Busse vor. Marco konnte beobachten, dass die Situation sehr unterschiedlich war: In einem Bus durfte niemand aussteigen und alle blieben gefesselt; die Insassen eines anderen Busses hatten keine Kabelbinder und konnten sich frei bewegen.
Gegen 16.00 Uhr lockerten sich die Bedingungen: Es gab die Möglichkeit sich die Hände vor dem Körper fesseln zu lassen, sodass es zumindest möglich war, eigenes Essen und eigene Getränke zu sich zu nehmen, zudem wurden Dixie-Klos in der Nähe des Busses bereitgestellt. Trotzdem mussten die Gefangenen mindestens sieben Stunden entweder in der Sonne oder im aufgeheizten Bus ausharren. Die meisten trugen seit dem kalten Morgen noch ihre Winterjacken, die sie aufgrund der Handfesseln nicht ausziehen konnten.
Im Bus befanden sich zudem mehrere Minderjährige – da die Polizei den Gefangenen weder den Vorwurf mitteilte, ihre Personalien kontrollierte oder ihre Rechte mitteilte, war der Polizei dies überhaupt nicht bekannt. Hinweise der Gefangenen auf die Minderjährigen wurden ignoriert. Auch auf mehrmalige Nachfrage konnte kein verantwortlicher Beamter genannt werden, es gab keine Möglichkeit zu telefonieren. Erst heimliche Anrufe bei den Eltern der Minderjährigen mit mitgeführten, eigenen Mobiltelefonen führten schlussendlich dazu, dass diese nach etwa 7 Stunden in Gewahrsam „frühzeitig“ zur Personalienfeststellung mitgenommen wurden.
Ab ca. 17.00 Uhr besserte sich die Versorgungslage mit Essen und Trinken. Die Polizei stellte Wasser und belegte Brötchen bereit. Zu dem Bus, dessen Insassen es verwehrt blieb, diesen zu verlassen, musste in diesem Zeitraum mehrfach der Krankenwagen kommen. Marco konnte mind. 5 Einsätze beobachten, bei denen Personen mit Kreislaufzusammenbrüchen u.ä. versorgt werden mussten.
Nachfragen bei der Polizei, wann man gehen könne, wurden mit Verweis auf die Demonstration in der Innenstadt abgetan – solange diese laufe, dürfte niemand der festgesetzten Personen das Messegelände verlassen, dies sei eine Anweisung von ganz oben. Wer „ganz oben“ sei, konnte aber nicht konkretisiert werden.

Kurz nach 18.00 Uhr wurde Marco mit dem Linienbus in das Innere der Halle gefahren – hier musste er eine weitere halbe Stunde innerhalb einer Wagenburg aus Polizeiautos warten. Immer noch hatte kein Polizist ihm erklärt, was der Vorwurf sei, der diese lange Ingewahrsamnahme rechtfertigen solle, die Namen des zuständigen Polizeibeamten wurden ihm verweigert: „Das weiß ich selber nicht, wer das hier zu verantworten hat.“
Dann wurde Marco herausgewinkt, er und seine Tasche wurde durchsucht. In der Tasche fand sich u.a. eine Mütze, eine Hose und eine Sonnenbrille. Danach kam er zu einem Computerarbeiterplatz, wo seine Daten aufgenommen wurden.
Eine Station weiter wurde sein Personalausweis abgefilmt. Dann wurde er von vorne, der Seite und hinten gefilmt. Die Hose wurde auch gefilmt. Dann wurde er gezwungen, die Mütze und die Sonnenbrille aufzusetzen. Sein Widerspruch gegen diese Maßnahmen wurde zwar aufgenommen, er erhielt aber keinen schriftlichen Beleg. Auch die Namen der zuständigen Polizeibeamten wurden erst nach mehrmaligem Nachfragen preisgegeben – die Vornamen wurden nicht genannt. Anschließend wurde Marco in einem Kleinbus zu der Bushaltestelle Plieningen-Post gebracht – diese lag sehr abgelegen. Um 20.30 Uhr war Marco nicht mehr im polizeilichem Gewahrsam. Aufgrund des langen Ausharrens in der Sonne, dem wenigen Trinken und dem permanenten Tragen einer Winterjacke hatte er sehr starke Kopfschmerzen und Kreislaufprobleme. Es zeigten sich Anzeichen eines Sonnenstichs. Die Beschwerden sind auch nach zwei Tagen noch nicht vollständig abgeklungen.
Insgesamt war Marco 13 Stunden im polizeilichem Gewahrsam – das erste Mal, dass ein Polizeibeamter mit ihm in direktem Kontakt trat, war nach 11 Stunden.
Die Maßnahmen wirkten dabei vollkommen willkürlich: weder war es für die Polizeibeamten nachvollziehbar, wo er aufgegriffen worden war, noch von wem und wann.

1Name geändert
2Name geändert
3Name geändert

Freitag, 11. Dezember 2015

Stellungnahme zum Vorgehen der Polizei bei der Räumung des besetzten Hauses im Frankfurter Nordend am 10.12. - Kritik an massiver und unnötiger Polizeigewalt


Gestern, am 10.12, wurde im Nordend von Aktivisten aus dem Umfeld von Flüchtlingsunterstützungsgruppe „Project Shelter“ ein Haus besetzt. Im Anschluss an die Demonstration „Gleiche Rechte für alle“ fand sich eine größere Menschenmenge vor Ort ein.
Die politischen Beweggründe des Protests sind bei „Project Shelter“ und in diversen Frankfurter Zeitungen nachzulesen, wir wollen uns in unserer kurzen Stellungnahme auf die Vorkommnisse vor während und nach der Räumung des Hauses durch Einheiten der Polizei konzentrieren.

Der Polizeieinsatz während der Demonstration
Bereits während der durchgehend friedlichen Demonstration war die Polizei mit zahlreichen Zivilbeamten unterwegs. Diese waren dann auch um das besetzte Haus eingesetzt, um die umher stehenden Demonstrationsteilnehmer zu überwachen.
Die Mitglieder unserer Initiative, die sich vor Ort aufhielten, konnten außerdem zahlreiche Schikane-Maßnahmen der Polizei beobachten. So wurde beispielsweise ein Flüchtling, der an der Demonstration teilgenommen hatte, wegen angeblich rechtswidriger Vermummung über einen längeren Zeitraumfestgehalten und kontrolliert. Die Temperaturen lagen aber um den Gefrierpunkt und Kälte ist in Bezug auf Vermummung ein von der Rechtsprechung allgemein anerkannter Rechtfertigungsgrund, was der Frankfurter Polizei eigentlich auch bewusst sein müsste. Vor diesem Hintergrund erscheint diese polizeiliche Maßnahme daher unverhältnismäßig.

Die Räumung – einzelne Beamte eskalieren die Situation
Insgesamt wurde die Räumung des Hauses von der Polizei sehr aggressiv und teilweise auch unprofessionell durchgeführt, was immer wieder unnötig die Situation vor Ort eskalierte und zu zahlreichen verletzten Unterstützern führte. Auch umstehende Bürger und Anwohner waren davon betroffen. Es entstand der Eindruck, dass zu wenige und vor allem auch sehr unsichere Beamte im Einsatz waren.
Mehrere Polizeibeamte übertraten die Grenze des angemessenen Verhaltens. Schockiert mussten wir beobachten, wie ein einzelner Beamter eine junge Frau als „Missgeburt“ beleidigte. Außerdem konnten wir beobachten, dass ein Beamter die sogenannte Fingerstichtechnik (hierbei wird mit je einem Finger je ein Auge in die Augenhöhle gedrückt) gegen eine junge Frau einsetzte, ohne dass diese als gewalttätig oder besonders aggressiv aufgefallen war. Ein anderer Polizeibeamter forderte einen jungen Unterstützer zum Einzelkampf heraus und drohte ihm offen mit der Faust. Solch ein Benehmen der Polizeikräfte halten wir für höchst problematisch. Zudem stärkt es das Misstrauen der Bürger gegenüber der Polizei als Repräsentantin des Staates.
Auch der im Polizeibericht beklagte versuchte Diebstahl/Raub eines Schlagstocks entsprang aus unserer Beobachtung dem unangemessenen Verhalten eines jungen Beamten, der mit eben diesem Schlagstock wild herumfuchtelte und Unterstützer bedrohte. Ob es wirklich zu dem Diebstahlsversuch gekommen ist, können wir nicht bestätigen.
Ein weiterer Beamte löste durch sein unprofessionelles, aggressives Verhalten eine Eskalation vor dem besetzten Haus aus, in deren Verlauf die Polizei mehrere Unterstützer verletzte – einige schwer. Der junge Beamte hatte sich zu einem unbegründeten Schubsen und Beleidigen eines jungen Mannes hinreißen lassen. Durch die daraus entstehenden Empörung unter den anderen Unterstützern sahen sich andere Polizeikräfte genötigt ihrem Kollege zur Hilfe zu eilen. Im Rahmen dieser Aktion wurden mehrere umstehende Beobachter umgestoßen, es kam zum Schlagstock- und Pfeffersprayeinsatz, der einzig und allein aus dem Vorverhalten des einzelnen Polizeibeamten resultierte. Diese Situation steht sinnbildlich für den gesamten Polizeieinsatz an diesem Abend: einzelne Polizeibeamte stachen durch ein aggressives Auftreten und Provokationen hervor, die gesamte Polizei reagierte mit überzogener Härte.

Verletzte Demonstranten durch Polizeigewalt
Im Laufe der Räumung kam es daher zu massiven Übergriffen. So wurde sehr viel Pfefferspray direkt in das Gesicht der Demonstranten gesprüht und mit Schlagstöcken auf Kopfhöhe geschlagen. Wir haben allein von drei Personen Kenntnis, die wegen hierdurch entstandener Platzwunden ins Krankenhaus gebracht werden mussten, vermutlich wurden jedoch noch weitere Personen schwer verletzt. Die Unterstützer der Besetzer beschränkten sich auf friedliche Blockaden, ein einfaches Abdrängen der Unterstützer wäre ein angemessener Umgang gewesen.

Behinderung der demokratischen Öffentlichkeit
Schaulustige Anwohner, die den Polizeieinsatz aus einiger Entfernung beobachteten, wurden seitens der Polizei mittels Lautsprecherdurchsagen zum Gehen aufgefordert. Ihnen wurde von der Polizei suggeriert, dass sie sich rechtswidrig dort aufhielten. Wir finden es wirklich schockierend, wie die Frankfurter Polizei mit gezielter Desinformation zu verhindern versucht, dass Bürger ihre Arbeit demokratisch kontrollieren. Wir konnten auch vor Ort beobachten, wie Pressevertreter von der Polizei bedrängt wurden. Sie wurden mit Scheinwerfern geblendet, damit sie keine Bildaufnahmen machen konnten, trotz Vorzeigen ihres Presseausweises nicht zum Ort des Geschehens durchgelassen, ihre Kameras wurden weggedrückt.

Fehlende Selbstkritik bei der Polizei
Auch im Nachgang verbreitete die Polizei missverständliche Informationen. In Ihrer offiziellen Pressemitteilung spricht sie von einem verletzten Polizeibeamten. Was aus der Pressemitteilung nicht hervorgeht, aber von der Polizei auf Twitter verbreitet wurde: die beschriebene Prellung hat sich der Polizeibeamte beim Abdrängen der Hausbesetzer selbst zugezogen. Dies kann nun allerdings nicht den Demonstranten zugeschrieben werden, sondern dem Ungeschick des Beamten. Auch die Zahl der verletzten Beamten wurde damit von zwei (Angabe auf Twitter) auf einen (Polizeibericht) reduziert.
Die häufig zu beobachtende Taktik der Polizei, den eigenen missglückten und aus dem Ruder gelaufenen Einsatz durch verletzte Beamte zu verharmlosen und die Schuld an der Eskalation den Demonstranten zuzuschieben, beobachten wir schon seit Längerem mit großer Sorge.
Statt dieser zweifelhaften Kommunikationsstrategie stünde es der Polizei gut zu Gesicht, den eigenen Einsatz zu hinterfragen und die Exzesse einzelner Beamter aufzuarbeiten.

Freitag, 13. November 2015

Pressemitteilung: IfDB übt Kritik am Umgang der Stadt mit der Künstlergruppe "Frankfurter Hauptschule"

Die Initiative für Demokratie und Bürgerrechte kritisiert den Umgang des Ordnungsdezernenten Markus Frank und des Frankfurter Kulturamtes mit der Performance „Im Windschatten des Niederganges“ der Künstlergruppe „Frankfurter Hauptschule“.

Die Sprecherin der Initiative, Anna Balzereit, hierzu:
„Es kann nicht sein, dass die Stadt ihre Kulturförderung auf herrschaftsunkritische Kunst beschränkt und solchen Aktionen, die die Stadtpolitik kritisieren, bereits zugesagte Gelder wieder wegnimmt. Das ist undemokratisch und stellt einen unzulässigen Angriff auf die Kunstfreiheit dar.
Statt einer autoritären Reaktion stünde es der Stadt Frankfurt gut zu Gesicht, die Kritik der Künstler ernst zu nehmen. Auch Drogensüchtige sind Bürger dieser Stadt. Es sollte keine Unterscheidung zwischen erwünschten und unerwünschten Bürgern geben – dies ist menschenverachtend.“

Die Künstlergruppe wird nun heute Abend spontan in den Frankfurter Kaiserpassagen auftreten. Wir sind gespannt, in welcher Form die Stadt Frankfurt auf diese Ankündigung reagiert." 
 

Stellungnahme der IfDB zum Vorgehen der Stadt Frankfurt gegen die Künstlergruppe „Frankfurter Hauptschule"


Bereits im Mai 2015 haben wir, die Initiative für Demokratie und Bürgerrechte Frankfurt am Main, uns mit den ordnungspolitischen Vorstellungen der CDU Frankfurt am Main, und insbesondere derer des Frankfurter Ordnungsdezernenten Markus Frank, beschäftigt. Unser damaliges Fazit:
Markus Frank und seine Partei versuchen solches Verhalten, welches ihnen sozial unerwünscht erscheint zu kriminalisieren. Hierbei knüpfen sie jedoch nicht an das Verhalten selbst an, sondern an das Klientel, von dem es ausgeht. So soll beispielsweise öffentlicher Alkoholkonsum im Bahnhofsviertel teilweise untersagt werden, nicht hingegen am Friedberger Platz, wo es zu Anwohnerprotesten gegen den Freitagsmarkt kam. Auffällig ist hierbei, dass sich diese beiden Konsumorte nicht durch die mit dem Alkoholkonsum einhergehenden negativen Nebeneffekte (Vermüllung, wildes Urinieren etc.), unterscheiden, sondern durch die trinkenden Personen. Während im Bahnhofsviertel vor allem sozial Prekäre und Suchtkranke öffentlich Alkohol trinken, trifft sich im Nordend die gehobene Mittelschicht Frankfurts (vgl. http://tinyurl.com/p3tmtgz).

Nun hat sich Markus Frank etwas Neues ausgedacht, um das Bahnhofsviertel nach seinen Vorstellungen umzugestalten – mithilfe von Künstlern, Kneipen und Parties soll Kultur als Mittel eingesetzt werden, um abweichendes Verhalten und soziale Randgruppen zu verdrängen. Markus Frank führt zwar aus „Wir wollen niemanden vertreiben. Das TAB-Projekt ist meiner Meinung nach eine sehr charmante Idee.“ Aber jede Person mit Alltagsverstand kann sich ausmalen, dass hierdurch der öffentliche Raum für Suchtkranke weniger attraktiv gemacht wird und auch werden soll.

In Frankfurt gibt es ohnehin schon wenig Raum, in dem man als suchtkranke Person ungestört Drogen konsumieren oder sich einfach nur aufhalten kann. Es gibt hingegen sehr viel öffentlichen Raum, der privatwirtschaftlich genutzt wird. Während es in der Kaiserstraße im Bahnhofsviertel keine einzige öffentliche Sitzgelegenheit gibt, stehen vor jedem Haus unzählige Tische und Stühle für die Konsumenten der ansässigen Gastronomie bereit. Man kann sich in der Kaiserstraße also sehr gut aufhalten, solange man etwas anderes als (illegale) Drogen konsumiert.

Unserer Meinung nach ist es aber auch Aufgabe der Stadt Frankfurt, für das Wohlergehen ihrer suchtkranken Bürger einzustehen. Statt indirekter Verdrängungsprozesse durch gezielt eingesetzte Kulturaktionen wären Maßnahmen wie Sitzgelegenheiten, Begrünung und kostenlose öffentliche Toiletten geeigneter, um den öffentlichen Raum für alle Viertelbewohner lebenswerter zu gestalten.

Nun gibt es die Kunstgruppe „Frankfurter Hauptschule“, die mit ihrer Performance „Im Windschatten des Niedergangs“ auf diese zynische und menschenverachtende Idee der gezielten Verdrängung bestimmter, bereits benachteiligter Gruppen durch Kultur aufmerksam macht und die städtische Ordnungspolitik kritisiert. Die provokante Pressemitteilung, in der angekündigt wurde, sich öffentlich „einen Schuss zu setzen“ hat den Ordnungsdezernenten Markus Frank dazu veranlasst, ein Verbot der Performance zu fordern. Auch das Frankfurter Kulturamt hat seine Förderzusage zurückgezogen. Unter dem öffentlichen Druck musste der Veranstaltungsort, die Galerie Kaiser P, nach eigener Aussage die Performance schlussendlich absagen, da durch verschiedene Drohgebärden der Stadt Frankfurt, des Kulturamtes und der Eigentümerin der Kaiserpassage, Deutsche Immobilien Chancen AG, die Existenz der Galerie gefährdet wurde.

In unseren Augen ist das Vorgehen der Stadt eindeutig als Angriff auf die Kunstfreiheit zu verstehen. Dieses Grundrecht wird nicht erst durch ein Verbot der Veranstaltung unzulässig eingeschränkt, sondern auch durch die ungerechtfertigte Rücknahme der Förderungszusage. Die Amtssprecherin des städtischen Kulturamtes Antje Runge äußerte sich gegenüber der Presse dahingehend, dass das Amt die Zusage zurückgenommen habe, weil zum einen in dem Förderantrag der Kunstgruppe nichts über den geplanten „Schuss“ zu finden gewesen sei und sich das Amt zum anderen insgesamt an den Äußerungen der Gruppe über städtische Mitarbeiter störe, gemein ist hierbei vermutlich Markus Frank. Die Kunstgruppe hatte zuvor auf ihrer Facebook-Seite dazu aufgefordert, Markus Frank aus dem Viertel zu vertreiben.
Diese Gründe sind jedoch in unseren Augen nicht ausreichend, um eine bereits erteilte Förderungszusage zurückzunehmen.
In dem Antrag der „Frankfurter Hauptschule“ wurde eine „drastische Dramatisierung“ angekündigt. Die Begründung des Fördermittelentzugs ist folglich mehr als fragwürdig.

Das Zurücknehmen einer Förderzusage, weil Kunst politisch wird, ist unzulässig, peinlich und nicht nachvollziehbar. Eine demokratische Öffentlichkeit muss dies aushalten, wenn sie nicht ihre eigenen Grundwerte verraten möchte.
Statt einer autoritären Reaktion stünde es der Stadt Frankfurt gut zu Gesicht, die Kritik der Künstler ernst zu nehmen. Auch Drogensüchtige sind Bürger dieser Stadt. Es sollte keine Unterscheidung zwischen erwünschten und unerwünschten Personen im öffentlichen Raum geben. Kunst kann und soll herrschaftskritisch sein. Das Ermöglichen von Kritik, so provokant sie auch sein mag, ist ein zentraler Moment einer demokratischen Öffentlichkeit!

Freitag, 26. Juni 2015

Polizeigewalt im Rahmen des Besuchs der Queen - Eine Stellungnahme


Im Internet kursiert derzeit ein Video, das die gewaltvolle Festnahme zweier junger Männer zeigt, die angeblich vorher versucht haben, über eine Absperrung wegen des Besuchs der Queen in Frankfurt zu springen.


Auf dem Video ist zu sehen, dass die Personen offensichtlich schon festgesetzt sind und keine Anstalten machen wegzurennen. Sichtbar ist einzig eine verbale Auseinandersetzung auf die ein Polizist mit einem Griff an die Kehle des jungen Mannes reagiert. Der Rest der Polizisten stürzt sich anschließend auf die beiden Festgesetzten. Die jungen Männer werden zu Boden gedrückt, umgetreten, mit dem Kopf gegen die Wand gedrückt und geschlagen.
Auch nach Abgleich mit der Pressemitteilung der Polizei, die auf diese Vorkommnisse reagierte (http://tinyurl.com/pncayxn), ist keine Notwendigkeit unmittelbaren Zwang anzuwenden erkennbar. Für uns sieht das vielmehr nach Folter aus: Wenn Personen in Polizeigewahrsam ohne sachlichen Grund, wie etwa Fluchtgefahr, körperlich gemaßregelt werden, ist das Folter.

Das Recht körperlich unversehrt zu sein, dass von der Polizei – trotz massiver Schutzkleidung – in Form eines Schutzparagraphen speziell für Polizisten (s. hierzu akj ffm: http://tinyurl.com/pe6k97d) immer wieder in besonderem Maße eingefordert wird, gilt auch für festgesetzte Personen. Es wird auch nicht davon ausgehebelt, wenn folgende Beschreibung der Polizei zutrifft:

Die beiden Festgenommenen versuchten kurz zuvor die Absperrung zum geschützten Innenbereich anlässlich des Besuchs der englischen Königin zu übersteigen (…). In der Folge wurden die Beamten vor Ort von den beiden polizeilich bekannten Personen aufs übelste beleidigt. „Hurensöhne“ soll nur ein Beispiel für die zahlreichen Beleidigungen sein.
Beide begegneten den polizeilichen Anordnungen sehr widerwillig und pöbelten auch weiterhin ununterbrochen gegen die Beamten. Einer der Männer verweigerte seine Ausweispapiere gänzlich und drohte den Beamten.
“ (PM der Polizei Frankfurt)
Die Polizei Frankfurt beschreibt auch einen Schlag durch einen der Festgesetzten ins Gesicht eines Polizisten. Dies ist für uns nach Betrachten des Videos eher unwahrscheinlich.

Es sieht so aus, als würde die Polizei mit körperlicher Gewalt unerwünschtes Verhalten sanktionieren. Der Polizei obliegt es als ausführende Gewalt aber nun mal nicht, abweichendes Verhalten zu sanktionieren – dies ist immer noch Aufgabe von Gerichten.

Warum die Polizeiführung in ihrer Pressemitteilung davon ausgeht, dieses Verhalten von Polizeibeamten legitimieren zu müssen, ist nicht verständlich. Wer so etwas unterstützt und deckt, muss sich nicht wundern, wenn Polizisten angefeindet und als Bedrohung wahrgenommen werden.

Sonntag, 21. Juni 2015

Stellungnahme der Initiative für Demokratie und Bürgerrechte zu dem Polizeieinsatz im Rahmen der Kundgebung von Widerstand Ost-West und Gegenprotesten in der Frankfurter Innenstadt am 20.06.2015

Mit Rückblick auf die Kundgebung von Widerstand Ost-West am 20. Juni 2015 und die Gegenproteste formulieren die Vertreter der Initiative für Demokratie und Bürgerrechte Frankfurt am Main eine deutliche Kritik an der Kommunikationsstrategie der Polizei:

Wiederholt hat die Polizei Maßnahmen durchgeführt, ohne sie anzukündigen oder zu begründen. Für die Demonstrationsteilnehmer der Gegenproteste war absolut nicht einzuschätzen, wann die Polizei aggressiv auf sie reagieren würde und wann nicht. So kam es immer wieder zu Pfefferspray- und Schlagstockeinsätzen die durch besseres Kommunizieren durch die Sicherheitsorgane, die hätten vermieden werden können. Die zahlreichen Verletzten durch Polizeiübergriffe, die bereits die wenigen Beobachter der Initiative dokumentiert haben, weisen auf die Gefahren eines solchen Vorgehens hin“, so die Presse-Sprecherin der Initiative Lieselotte Kulic.

Zudem bemängelte die Initiative, eine Ungleichbehandlung der Kundgebung von WOW und der Gegenproteste.

Verstöße von Teilnehmern der Gegenproteste wurden ganz anders geahndet als Verstöße der Teilnehmer der Veranstaltung von Widerstand Ost-West. Selbst das mehrfache Zeigen des Hitlergrußes, das Werfen einer Flasche und das Bedrohen anwesender Journalisten war für die Polizei hier kein Grund einzuschreiten oder die Versammlung aufzulösen“, kritisierte die Vertreterin der Initiative Anna Balzereit. Im Rahmen der Gegenproteste führte bereits geringe Verstöße wie ein zu hoch gehaltenes Transparent zu einem massiven Durchgreifen der Polizei. Bei deutlich geringeren Anlässen wurden Personalien festgestellt und der Schlagstock und Pfefferspray eingesetzt.“

Insgesamt formulierte die Initiative eine deutliche Kritik am gestrigen Polizeieinsatz der Polizei. Dieser sei sehr unvorsichtig, eskalierend und schlecht kommuniziert gewesen. Von der deeskalativen Strategie der Polizei sei wenig zu erkennen gewesen.

Einschätzung der Polizeiarbeit im Rahmen der Kundgebung von Widerstand Ost-West und den Gegenprotesten im Gebiet der Frankfurter Innenstadt am 20.06.2015

Am Samstag den 20.06.15 hatte das Bündnis „Widerstand Ost West“(WOW), eine Gruppe von Rechtspopulisten, gewaltbereiten Hooligans und extremen Rechten zu einer Demonstration in der Frankfurter Innenstadt aufgerufen. Wir waren natürlich auch in der Frankfurter Innenstadt präsent, um den Einsatz der Polizei zu begleiten. Vorab ist zu sagen, dass auch wir teilweise Opfer von Polizeigewalt waren und durch den Einsatz von Pfefferspray anlasslos verletzt wurden. Zudem konnten wir natürlich nicht überall sein und erheben daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit in unserer Darstellung, haben jedoch alle Informationen, die wir nachfolgend veröffentlichen, geprüft.

Impressionen des Tages
Begonnen hat der Tag für uns mit der Dokumentation von diversen Personenkontrollen seitens der Polizei an angemeldeten Kundgebungsorten der Gegenproteste. So kam es am Paulsplatz zwanzig Minuten vor der um 10 Uhr beginnenden angemeldeten Kundgebung für ein weltoffenes Frankfurt zu verdachtsunabhängigen Vorkontrollen von einzelnen Personen durch die Polizei.

Die Kundgebung am Paulsplatz begann friedlich und sollte als Demonstrationszug Richtung Berliner Straße gehen. Die Teilnehmer der Gegendemonstration trugen, für eine Demonstration nicht unüblich, ein Transparent an der Spitze der Demonstration. Dieses wurde nach Auffassung der Polizei zu hoch gehalten, und als Vermummung gewertet. Der Demonstrationszug wurde gestoppt, es kam zu ersten Übergriffen durch die Polizei. Im Anschluss daran wurde vom Anmelder der Demonstration mit der Polizei verhandelt, dass das Transparent weiter unten getragen werden solle und die Demonstration den geplanten Weg gehen darf. Nur Augenblicke später griff die Polizei die Demonstration, die sich demgemäß verhielt, an und beschlagnahmte das Transparent – der kommunizierte Kompromiss wurde seitens der Polizei ignoriert.
Danach konnte die Demonstration weiter geführt werden. Die Demonstrierenden gingen über die Berliner Straße zu einer weiteren Kundgebung an der Katharinenkirche an der Hauptwache um 12 Uhr. Parallel dazu gab es eine Kundgebung des Römerbergbündnisses am Goetheplatz.
An der Katharinenkirche kam es zu Übergriffen seitens der Polizei aus für uns nicht ersichtlichen Gründen. Die Polizei setzte Schlagstöcke und Pfefferspray ein, mehrere Gegendemonstranten wurden verletzt. Warum den Demonstranten das Fortkommen verstellt wurde, war für uns nicht ersichtlich – war der Weg doch eigentlich nicht abgesperrt. Die Polizei forderte die Gegendemonstranten weder auf, sich zurückzuziehen noch teilte sie den Anlass ihres Handelns mit.
Um die ganze, von WOW geplante Demonstrationsroute, die von der Polizei abgesperrt wurde, entstanden sogenannte Blockadepunkte der Gegendemonstranten um WOW an einer Demonstration zu hindern.

Die Polizei war mit großer Präsenz vor Ort. Zwei Wasserwerfer, die an verschiedenen Orten positioniert waren, waren den ganzen Tag über präsent, kamen aber nicht zum Einsatz.
Die Kundgebung des WOWs war nicht nur durch die Gegendemonstranten abgeschirmt, auch das große Polizeiaufgebot schirmte die Versammlung von WOW zusätzlich ab.
Im Laufe der Kundgebung von WOW kam es zu zwei Kesseln von Gegendemonstranten durch die Polizei. Der erste Kessel befand sich in der Junghofstraße. Es wurden ca. 200 Personen von der Polizei festgehalten. Die Polizei drängte alle Personen dazu sich zu „vermummen“ und filmte sie dabei unrechtmäßig. Nur kurz darauf kam es nach einigen hektischen Manövern der Polizei zu einem zweiten, kurzzeitigen Kessel in der Goethestraße. Dort wurden durch das harte Durchgreifen der Polizei zahlreiche Gegendemonstranten verletzt. Mindestens eine Teilnehmerin musste verletzt ins Krankenhaus.
Es gibt Augenzeugenberichte über zahlreiche, nur ungenügend begründete Festnahmen. Teilweise wurden Personen Tatvorwürfe gemacht, die für uns als Beobachter eindeutig im Widerspruch zu ihrem Aufenthaltsort standen. Der Einschüchterungseffekt der von willkürlichen Festnahmen ausgeht, sollte von der Polizei mit bedacht werden – es kann nicht der gewünschte Effekt sein, dass Bürger sich aus Angst vor unbegründeten Festnahmen nicht mehr trauen ihre Demonstrationsfreiheit auszuüben. Da das Demonstrationsrecht vor allem ein Abwehrrecht gegen den Staat bildet, kann dieser Effekt auch nicht mit einem Verweis auf die Wirkung von Gegendemonstrationen auf die Demonstrationsteilnehmer von WOW legitimiert werden.

Als die Kundgebung von WOW beendet wurde und sie sich für eine Demonstration aufstellten, wurde es an der Hauptwache unruhig. Mehrere BFE-Einheiten mischten sich auf der Hauptwache unter die Teilnehmer der Gegendemonstration und sorgten dadurch für ein großes Durcheinander. Diese Maßnahme wirkte in keiner Weise deeskalierend. Aufgrund der zahlreichen Gegenproteste konnten die Teilnehmer von WOW nur wenige Meter innerhalb der Absperrung laufen. Währenddessen haben die Anhänger von WOW mehrfach als Gruppe den Hitlergruß gezeigt und es wurde eine Flasche auf die Gegendemonstranten geworfen. Die Polizei duldete diese Straftaten und schritt nicht ein. Besonders schockiert waren wir von dem Bericht eines Journalisten, der von Teilnehmern des WOW bedroht wurde. Dies stellt einen Angriff auf die Pressefreiheit dar, der auch von der Polizei hingenommen wurde.
Hier ist auch anzumerken, dass die Polizei den Aufzug von WOW auf dem angemeldeten Demonstrationsgebiet der Gegenkundgebung des Römerbergbündnisses ermöglicht hat, das als „Schutzbereich“ mit Gittern umstellt war.. Warum der Aufzug von WOW Vorrang vor einer angemeldeten Kundgebung des Römerbergbündnisses hat, wurde uns nicht klar und konnte uns auf Nachfragen auch von den Polizeikräften vor Ort nicht erklärt werden.
Über den Tag verteilt, wurden immer wieder über kleinere Gruppen gewaltbereite Hooligans berichtet, die in der Stadt unterwegs waren. Trotz Polizeikräften vor Ort kam es zu Übergriffen durch ebendiese in der B-Ebene der Hauptwache.

Einschätzungen zum Vorgehen der Polizei

Kommunikationsstrategie
Die Einsatzkräfte der Polizei wirkten den ganzen Tag über sehr nervös. Mit dieser Angespanntheit ist vielleicht auch ihre suboptimale Kommunikationsstrategie gegenüber den Teilnehmern der Gegendemonstration zu erklären. Wiederholt wurden Maßnahmen nicht angekündigt und/oder begründet, Absprachen mit den Anmeldern von Kundgebungen und Aufzügen wurden nicht eingehalten, die Teilnehmer wurden immer wieder unbegründet oder unverhältnismäßig angegangen.
Ein kurzes Schlaglicht soll hier auch auf die Twitter-Tätigkeit der Polizei geworfen werden – friedliche Blockaden, wurden dort als unfriedlich beschrieben. Dies erhöht nicht das Vertrauen der Demonstranten in die Polizei – sie fühlen sich vielmehr nicht ernst genommen. Das Auftreten und vor allem die Kommunikationsstrategie der Polizei, die vieles nicht ankündigte, begründete oder sogar in die Irre führte, hinterlässt ein Gefühl des Misstrauens gegenüber zukünftigen Mitteilungen der Polizeikräfte, das nicht beabsichtigt gewesen sein kann.

Ungleichbehandlungen der Demonstrationen
Auffällig war, dass die Polizei Verstöße der Teilnehmer der Veranstaltung von WOW deutlich unterschiedlich behandelte als die Verstöße der Gegendemonstranten. Das Zeigen von Hitlergrüßen, das Werfen einer Flasche und das Beschimpfen und Bedrohen von Journalisten und den Teilnehmern der Gegendemonstration wäre aus unserer Sicht ein Grund gewesen, diese Versammlung als nicht mehr friedlich einzuordnen. Die Polizei ging aber gegen die ausführenden Personen im Rahmen dieser Versammlung überhaupt nicht vor.
Zudem wurde das Gebiet der Kundgebung des Römerbergbündnisses beschnitten, um dort den Aufzug von WOW innerhalb der Absperrung durchzuführen.
Im Rahmen der Gegenproteste führte bereits ein zu hoch gehaltenes Transparent zu einem massiven Durchgreifen der Polizei. Bei deutlich geringeren Anlässen wurden Personalien festgestellt und der Schlagstock und Pfefferspray eingesetzt. Teilweise löste bereits das Fortbewegen in Gruppen polizeiliche Maßnahmen aus.
Insgesamt ist der Polizeieinsatz gegen die Gegendemonstranten als sehr unkoordiniert, unvorsichtig, gewaltbereit und eskalierend zu bewerten. Ein Anzeichen hierfür sind auch die zahlreichen Verletzten, die wir gesehen haben.
Es wiederholte sich, was wir auch schon zu den Einsätzen im Rahmen der Proteste von „Pegida Rhein-Main“ und den „Freien Bürgern für Deutschland“ geschrieben haben:
Aufgabe der Polizei ist es, die Versammlungsfreiheit aller Bürger zu gewährleisten und auch Gegenprotest zu ermöglichen. Selbstverständlich ist es Aufgabe der Polizei, Demonstrationen vor Angriffen durch Gegendemonstranten zu schützen – dies darf aber nicht so weit gehen, dass der gesamte Gegenprotest kriminalisiert, durch polizeiliche Maßnahmen eingeschüchtert oder erschwert wird.“ (IfDB FfM 02.06.2015)

Maßnahmen der Polizei
Es sollen sich Teilnehmer der Gegendemonstrationen vermummt haben, und es sollen auch Eier geworfen worden sein – dies sind Gründe für polizeiliche Maßnahmen. Jedoch haben die Polizeikräfte jedes Mal ohne Aufforderung oder irgendeine erdenkliche Kommunikationsform direkt mit Gewalt reagiert. Außerdem hat die Polizei konstant die Gegenproteste gefilmt, auch wenn keine konkrete Gefahrensituation bestand.
Der Einsatz der Polizei war sehr hektisch, was sie selbst auch auf Twitter eingestanden haben.
Die Polizei setzte von Beginn an auf den Einsatz von sehr vielen Zivilbeamten. Die eingesetzten Communicators der Polizei waren an Orten, an denen es hektischer zuging nicht vor Ort. Eine Bereitschaft zur Deeskalation war seitens der Beamten nicht ersichtlich.
Wir selbst haben keine körperlichen Übergriffe auf Polizeibeamte beobachtet. Die Polizei hat aber berichtet, dass ein Zivilbeamter angegriffen wurde. Dies wäre natürlich bedauerlich. Gleichzeitig ist der großflächige und für jeden Demonstrationsteilnehmer auch sichtbare Einsatz ebendieser ein ständiges Misstrauensvotum gegenüber den Demonstrationsteilnehmern, der auch einen einschüchternder Effekt erzielt, der engagierte Bürger in Zukunft davon abhalten könnte, sich den Protesten anzuschließen. Der permanente Einsatz von Zivilbeamten, der auch bei friedlichen Demonstrationen unseren Beobachtungen nach aktuell zur Regel geworden ist, sollte von den Polizeikräften nochmals überdacht werden. Dies sendet kein deeskalierendes Signal und gibt den Demonstrationsteilnehmern ein Gefühl der permanenten Beobachtung.
Als ähnlich problematisch erachten wir auch Festnahmen, die nur mangelhaft begründet werden. Tatvorwürfe, die bereits aus den Gegebenheiten der Festnahme heraus offensichtlich widersprüchlich sind, haben einen einschüchternden Effekt ohne der Strafverfolgung dienlich zu sein.