Freitag, 13. November 2015

Pressemitteilung: IfDB übt Kritik am Umgang der Stadt mit der Künstlergruppe "Frankfurter Hauptschule"

Die Initiative für Demokratie und Bürgerrechte kritisiert den Umgang des Ordnungsdezernenten Markus Frank und des Frankfurter Kulturamtes mit der Performance „Im Windschatten des Niederganges“ der Künstlergruppe „Frankfurter Hauptschule“.

Die Sprecherin der Initiative, Anna Balzereit, hierzu:
„Es kann nicht sein, dass die Stadt ihre Kulturförderung auf herrschaftsunkritische Kunst beschränkt und solchen Aktionen, die die Stadtpolitik kritisieren, bereits zugesagte Gelder wieder wegnimmt. Das ist undemokratisch und stellt einen unzulässigen Angriff auf die Kunstfreiheit dar.
Statt einer autoritären Reaktion stünde es der Stadt Frankfurt gut zu Gesicht, die Kritik der Künstler ernst zu nehmen. Auch Drogensüchtige sind Bürger dieser Stadt. Es sollte keine Unterscheidung zwischen erwünschten und unerwünschten Bürgern geben – dies ist menschenverachtend.“

Die Künstlergruppe wird nun heute Abend spontan in den Frankfurter Kaiserpassagen auftreten. Wir sind gespannt, in welcher Form die Stadt Frankfurt auf diese Ankündigung reagiert." 
 

Stellungnahme der IfDB zum Vorgehen der Stadt Frankfurt gegen die Künstlergruppe „Frankfurter Hauptschule"


Bereits im Mai 2015 haben wir, die Initiative für Demokratie und Bürgerrechte Frankfurt am Main, uns mit den ordnungspolitischen Vorstellungen der CDU Frankfurt am Main, und insbesondere derer des Frankfurter Ordnungsdezernenten Markus Frank, beschäftigt. Unser damaliges Fazit:
Markus Frank und seine Partei versuchen solches Verhalten, welches ihnen sozial unerwünscht erscheint zu kriminalisieren. Hierbei knüpfen sie jedoch nicht an das Verhalten selbst an, sondern an das Klientel, von dem es ausgeht. So soll beispielsweise öffentlicher Alkoholkonsum im Bahnhofsviertel teilweise untersagt werden, nicht hingegen am Friedberger Platz, wo es zu Anwohnerprotesten gegen den Freitagsmarkt kam. Auffällig ist hierbei, dass sich diese beiden Konsumorte nicht durch die mit dem Alkoholkonsum einhergehenden negativen Nebeneffekte (Vermüllung, wildes Urinieren etc.), unterscheiden, sondern durch die trinkenden Personen. Während im Bahnhofsviertel vor allem sozial Prekäre und Suchtkranke öffentlich Alkohol trinken, trifft sich im Nordend die gehobene Mittelschicht Frankfurts (vgl. http://tinyurl.com/p3tmtgz).

Nun hat sich Markus Frank etwas Neues ausgedacht, um das Bahnhofsviertel nach seinen Vorstellungen umzugestalten – mithilfe von Künstlern, Kneipen und Parties soll Kultur als Mittel eingesetzt werden, um abweichendes Verhalten und soziale Randgruppen zu verdrängen. Markus Frank führt zwar aus „Wir wollen niemanden vertreiben. Das TAB-Projekt ist meiner Meinung nach eine sehr charmante Idee.“ Aber jede Person mit Alltagsverstand kann sich ausmalen, dass hierdurch der öffentliche Raum für Suchtkranke weniger attraktiv gemacht wird und auch werden soll.

In Frankfurt gibt es ohnehin schon wenig Raum, in dem man als suchtkranke Person ungestört Drogen konsumieren oder sich einfach nur aufhalten kann. Es gibt hingegen sehr viel öffentlichen Raum, der privatwirtschaftlich genutzt wird. Während es in der Kaiserstraße im Bahnhofsviertel keine einzige öffentliche Sitzgelegenheit gibt, stehen vor jedem Haus unzählige Tische und Stühle für die Konsumenten der ansässigen Gastronomie bereit. Man kann sich in der Kaiserstraße also sehr gut aufhalten, solange man etwas anderes als (illegale) Drogen konsumiert.

Unserer Meinung nach ist es aber auch Aufgabe der Stadt Frankfurt, für das Wohlergehen ihrer suchtkranken Bürger einzustehen. Statt indirekter Verdrängungsprozesse durch gezielt eingesetzte Kulturaktionen wären Maßnahmen wie Sitzgelegenheiten, Begrünung und kostenlose öffentliche Toiletten geeigneter, um den öffentlichen Raum für alle Viertelbewohner lebenswerter zu gestalten.

Nun gibt es die Kunstgruppe „Frankfurter Hauptschule“, die mit ihrer Performance „Im Windschatten des Niedergangs“ auf diese zynische und menschenverachtende Idee der gezielten Verdrängung bestimmter, bereits benachteiligter Gruppen durch Kultur aufmerksam macht und die städtische Ordnungspolitik kritisiert. Die provokante Pressemitteilung, in der angekündigt wurde, sich öffentlich „einen Schuss zu setzen“ hat den Ordnungsdezernenten Markus Frank dazu veranlasst, ein Verbot der Performance zu fordern. Auch das Frankfurter Kulturamt hat seine Förderzusage zurückgezogen. Unter dem öffentlichen Druck musste der Veranstaltungsort, die Galerie Kaiser P, nach eigener Aussage die Performance schlussendlich absagen, da durch verschiedene Drohgebärden der Stadt Frankfurt, des Kulturamtes und der Eigentümerin der Kaiserpassage, Deutsche Immobilien Chancen AG, die Existenz der Galerie gefährdet wurde.

In unseren Augen ist das Vorgehen der Stadt eindeutig als Angriff auf die Kunstfreiheit zu verstehen. Dieses Grundrecht wird nicht erst durch ein Verbot der Veranstaltung unzulässig eingeschränkt, sondern auch durch die ungerechtfertigte Rücknahme der Förderungszusage. Die Amtssprecherin des städtischen Kulturamtes Antje Runge äußerte sich gegenüber der Presse dahingehend, dass das Amt die Zusage zurückgenommen habe, weil zum einen in dem Förderantrag der Kunstgruppe nichts über den geplanten „Schuss“ zu finden gewesen sei und sich das Amt zum anderen insgesamt an den Äußerungen der Gruppe über städtische Mitarbeiter störe, gemein ist hierbei vermutlich Markus Frank. Die Kunstgruppe hatte zuvor auf ihrer Facebook-Seite dazu aufgefordert, Markus Frank aus dem Viertel zu vertreiben.
Diese Gründe sind jedoch in unseren Augen nicht ausreichend, um eine bereits erteilte Förderungszusage zurückzunehmen.
In dem Antrag der „Frankfurter Hauptschule“ wurde eine „drastische Dramatisierung“ angekündigt. Die Begründung des Fördermittelentzugs ist folglich mehr als fragwürdig.

Das Zurücknehmen einer Förderzusage, weil Kunst politisch wird, ist unzulässig, peinlich und nicht nachvollziehbar. Eine demokratische Öffentlichkeit muss dies aushalten, wenn sie nicht ihre eigenen Grundwerte verraten möchte.
Statt einer autoritären Reaktion stünde es der Stadt Frankfurt gut zu Gesicht, die Kritik der Künstler ernst zu nehmen. Auch Drogensüchtige sind Bürger dieser Stadt. Es sollte keine Unterscheidung zwischen erwünschten und unerwünschten Personen im öffentlichen Raum geben. Kunst kann und soll herrschaftskritisch sein. Das Ermöglichen von Kritik, so provokant sie auch sein mag, ist ein zentraler Moment einer demokratischen Öffentlichkeit!