In
den letzten drei Monaten haben wir in Frankfurt verschiedene
Kundgebungen von verschiedenen rechten Gruppierungen, wie
beispielsweise Pegida, und entsprechende Gegendemonstrationen
besucht. Hierbei stand vor allem die Polizeiarbeit im Fokus unserer
Beobachtungen. Weitere wöchentliche Kundgebungen sind erst einmal
nicht angekündigt, lediglich eine größere Demonstration des
rechten Bündnisses „Widerstand Ost West“ ist für den 20. Juni
geplant. Zeit für uns, ein Resümee zu ziehen.
Ungleichbehandlungen
Im
Rahmen der ersten Pegida-Veranstaltungen in Frankfurt am Main fiel
zunächst auf, dass die Polizei, für die Frankfurter Einheiten
eher untypisch, in Bezug auf die Gegenproteste ein hohes Maß an
Aggressivität an den Tag legte. So wurden zahlreiche Teilnehmer der
Gegenproteste von Polizisten beschimpft, geschubst, geschlagen, mit
Pfefferspray attackiert und teilweise auch mit Schlagstöcken
angegriffen. Einzelne Vermummungen in der Gegendemonstration wurden
zudem bereits zum Anlass genommen, mit mehreren Einsatzkräften in
die Versammlung zu gehen und sich den Weg zu Einzelpersonen
freizuschubsen, um diese, zumindest vorübergehend, festzusetzen. Auf
Seite der Pegida-Demonstranten blieben passive Bewaffnung (mit einem
Fahrradhelm), Vermummungen und, unserer Einschätzung nach,
volksverhetzende Reden (z.B. durch Michael Mannheimer) ungeahndet.
Außerdem konnten sich mehrere Pegida-Anhänger frei in der
Gegendemonstration bewegen, während eine Gruppe junger
Gegendemonstranten, die versuchten, über eine Absperrung zu
klettern, um zur Pegida-Kundgebung zu gelangen, mit massivem
Schlagstock- und Pfeffersprayeinsatz davon abgehalten und
anschließend sogar festgenommen wurden. Ferner konnten wir vor Ort
beobachten, dass Gegendemonstranten von Pegida-Anhängern beleidigt
und geschubst wurden und sich die Polizeikräfte, auch auf
Aufforderung, weigerten, dagegen vorzugehen.
Das
alles zeigt, dass die Polizei scheinbar mit zweierlei Maß misst:
Während die Demonstrationen von rechten Gruppierungen unter allen
Umständen gewährleistet werden sollen, werden die Gegenproteste
kriminalisiert. Hier reichen schon kleinere Vergehen als Anlass für
die Polizei um Einzelpersonen festzunehmen und Großteile der
Gegendemonstration zu bedrängen sowie abzufilmen. Auch werden die
Gegenproteste durch teilweise mehr als unangebrachte Durchsagen der
Polizei delegitimiert und als grundrechtsfeindlich dargestellt (wir
berichteten).
Eingriffe
in Versammlungsfreiheit
Insgesamt
konnten wir neben diesen Ungleichbehandlungen auch verschiedene,
unserer Einschätzung nach unrechtmäßige Eingriffe in die
Versammlungsfreiheit feststellen.
Zum
einen wurden Gegendemonstranten verstärkt Durchsuchungsmaßnahmen
durch die Polizei unterzogen und vermehrt Personalien festgestellt,
ohne dass diese Maßnahmen verhältnismäßig erschienen oder hierfür
die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren. Auch war es teilweise
nicht möglich, zu angemeldeten Mahnwachen durchzudringen, da die
Polizei immer wieder kurzfristig die Zugänge absperrte.
Zudem
stellt die fast durchgehende Videoüberwachung der
Gegendemonstrationen ohne konkreten Anlass oder Gefährdung einen
massiven Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar. Hierdurch wird
nicht nur das Persönlichkeitsrecht der Teilnehmer unverhältnismäßig
beeinträchtigt, sondern auch ein einschüchternder Effekt erzielt,
der engagierte Bürger in Zukunft davon abhalten könnte, sich den
Protesten anzuschließen. Gleiches gilt für das Platzieren ganzer
Polizeitrupps in der Gegendemonstration.
Grundrechtseingriffe
für Passanten
Die
wöchentlichen Veranstaltungen von rechten Gruppierungen wurden meist
durch weitläufige Gitter-Absperrungen von den Gegenprotesten
abgeschirmt, wodurch aber auch viele Frankfurter Passanten in ihrer
Bewegungsfreiheit eingeschränkt wurden. Auch die U-Bahn-Station
„Hauptwache“ wurde in den letzten Wochen immer wieder komplett
gesperrt, um den Teilnehmern der rechten Proteste eine problemlose
Abreise zu ermöglichen. Dadurch war es für Fahrgäste zeitweise
unmöglich die B-Ebene der Hauptwache zu verlassen, sie waren dort
eingesperrt. Diese Maßnahme scheint in Anbetracht der Tatsache, dass
die Polizei die meist weniger als 30 Personen zählende
Personengruppe auch hätte eskortieren können, unverhältnismäßig
und brandschutztechnisch zumindest gewagt.
Fazit
In
den letzten Wochen haben mit Fragida,
Pegida
Rhein-Main
und den Freien
Bürger für Deutschland
verschiedene rechte Gruppen in der Frankfurter Innenstadt
demonstriert und zahlreiche Gegenproteste ausgelöst. Die Zahl der
Demonstranten der rechten Gruppierungen war dabei stets sehr niedrig
und pendelte sich bei ca. 30 Personen ein, während die
Gegendemonstranten stetig deutlich höhere Mobilisierungserfolge
erzielten.
Der
Umgang der Polizei mit dem Aufeinandertreffen dieser zwei Gruppen hat
sich dabei im Laufe der Zeit gewandelt. Konstant zu beanstanden war
eine zu beobachtende Ungleichbehandlung der Versammlungen. Während
die Polizei Frankfurt ihr Möglichstes tat, um die verschiedenen
Versammlungen der rechten Gruppen zu ermöglichen, kam es in Bezug
auf die Gegenproteste immer wieder zu massiven Eingriffen in die
Versammlungsfreiheit – beispielsweise durch anlasslose
Vorkontrollen, Videoüberwachung und delegitimierende Äußerungen
über die friedlichen Proteste. Aufgabe der Polizei ist es, die
Versammlungsfreiheit aller Bürger zu gewährleisten und auch
Gegenprotest zu ermöglichen. Selbstverständlich ist es Aufgabe der
Polizei, Demonstrationen vor Angriffen durch Gegendemonstranten zu
schützen – dies darf aber nicht so weit gehen, dass der gesamte
Gegenprotest kriminalisiert, durch polizeiliche Maßnahmen
eingeschüchtert oder erschwert wird.
Der von uns
beobachtete Strategiewechsel der Frankfurter Polizei zeigt sich vor
allem im strategischen Umgang mit den Gegendemonstrationen. Das
anfänglich sehr aggressive und grundrechtseinschränkende Vorgehen
hat sich im Laufe der Zeit, vermutlich auch aufgrund zahlreicher
Beschwerden, verändert. Die Polizei scheint wieder ein eher
deeskalierendes Vorgehen zu bevorzugen. Diese Veränderung begrüßen
wir grundsätzlich, sehen jedoch in diesem Zusammenhang neue
Probleme: Diese neue Zurückhaltung geht einher, mit einer
verstärkten, weniger sichtbaren Überwachung der Demonstration durch
zahlreiche Zivilpolizisten. Zudem wird bei der kleinsten Unruhe
gefilmt und damit eine konstante Strategie der Einschüchterung
gefahren. Dieser Effekt wird durch dadurch verstärkt, Gruppen von
Polizeibeamten inmitten der Gegendemonstration zu platzieren, die ein
permanentes Gefühl des möglichen Zugriffs vermitteln.
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