Montag, 4. Mai 2015

Ein Kommentar zum sicherheitspolitischen Positionspapier „Sicheres Frankfurt“ der CDU-Fraktion Frankfurt vom 22.04.2015 mit Hinblick auf die Veranstaltung „Wie sicher ist Frankfurt“ mit Markus Frank am 05.05.2015


Die Initiative für Demokratie und Bürgerrechte Frankfurt am Main kritisiert, dass die CDU-Fraktion Frankfurt in ihrem Positionspapier „Sicheres Frankfurt“ unter dem Schlagwort „Sicherheit und Ordnung“ ihre eigenen Vorstellung, wie, von wem und in welcher Art und Weise städtischer Raum genutzt werden sollte, durchzusetzen versucht. In diesen Ausführungen wird weder die Kriminalstatistik Frankfurt für das Jahr 2014 angemessen und ausgewogen berücksichtigt, noch deutlich gemacht und belegt auf welchen Statistiken und wissenschaftlichen Erkenntnissen die Annahmen der CDU-Fraktion Frankfurt beruhen.
Zudem kritisiert die Initiative das zugrunde liegenden Argumentationsmuster der Fraktion und wirft ihr vor, sich die alleinige Definitionsmacht darüber zuzuschreiben, welches Verhalten in der Stadt Frankfurt erwünscht und welches unerwünscht ist, sowie welche Menschen schützenswerte Bürgerinnen und Bürger Frankfurts sind und welche nicht. Auch kritisiert die Initiative strukturell rassistische Grundannahmen des Textes, da Probleme von Ordnung, Sicherheit und Sauberkeit immer wieder im Zusammenhang mit Zuwanderung und kulturell abweichendem Verhalten diskutiert werden.

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Die CDU-Fraktion Frankfurt hat am 22. April ein „Sicherheitskonzept“ mit dem Titel „Sicheres Frankfurt“ veröffentlicht. Als Initiative, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit gegen staatliche Eingriffe zu schützen und staatliche Übergriffe sichtbar zu machen, haben wir das Gefühl, dass dieses Positionspapier nicht unkommentiert bleiben darf. Das Verständnis der CDU-Fraktion Frankfurt für Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum ist derart gestaltet, dass es Ungleichbehandlung, Ausgrenzungen und Grundrechtsverstöße impliziert und in manchen Fällen sogar explizit nahelegt.
Wir werden im Folgenden zum einen die Annahmen der CDU Frankfurt im Vergleich mit der Kriminalstatistik 2014 für Frankfurt einem Realitätscheck unterziehen. Zum anderen wollen wir die rechtlichen, sowie die stadtpolitischen Implikationen der Vorschläge aus Sicht der betroffenen Bürgerinnen und Bürger kritisch hinterfragen.
1. Realitätscheck
Das sicherheitspolitische Positionspapier der CDU bezieht sich in der Einleitung auf die Kriminalstatistik für Frankfurt (S.2). Als Gefahren für die öffentliche Sicherheit sieht die CDU nun vor allem Straftaten, die Verunreinigung des öffentlichen Raums und städtebauliche Angsträume. Warum die „Förderung von Sauberkeit und Ordnung des öffentlichen Raumes“ (S.2) ein fundamentaler Beitrag zur Gewährleistung der „Sicherheit der Menschen in unserer Stadt“ (S.2) sei, wird aus dem Text heraus nicht klar und ist für uns auch nicht nachvollziehbar. Ebenso bleibt unklar, warum häusliche und sexualisierte Gewalt in diesem Konzept keine Beachtung finden. Ein Blick in die aktuelle Kriminalstatistik für Frankfurt zeigt, dass diese Delikte in den letzten Jahren erheblich angestiegen sind. In Bezug auf Fälle häuslicher Gewalt wurde erstmals seit 2007 wieder ein überdurchschnittlicher Wert erreicht (Polizeiliche Kriminalstatistik 2014, S.15f.) und auch Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (abgesehen von Delikten in Zusammenhang mit verbotswidriger Prostitution) sind angestiegen (Polizeiliche Kriminalstatistik 2014, S.8f.). Dieser Problembereich, in dem dringend eine Sensibilisierung für Gewalt innerhalb von Familien sowie für sexualisierte Gewalt nötig wäre – die eben kein rein privates sondern ein öffentliches Problem sind, und damit auch das „Grundbedürfnis der Menschen“ in Frankfurt nach „Sicherheit und Ordnung“ (S.2) betreffen – bleiben in dem Sicherheitskonzept der CDU leider komplett unberücksichtigt.
Ernstzunehmende Sicherheitspolitik muss nach unserer Ansicht vor allem die physische und psychische Unversehrtheit der Bürgerinnen und Bürger im Blick haben, und nicht die Unversehrtheit von Bürgersteigen und Hausfassaden.
Ein besonderes Augenmerk wird in dem Sicherheitskonzept auf den Themenbereich Vandalismus/Sachbeschädigung gelegt. Hier wird vor einer „zunehmende[n] Gewalt gegen Sachen und Vandalismus“ gewarnt. Diese sei „oft Ausdruck einer Verrohung der betreffenden Täter, die nicht selten Ankündigung schlimmerer Straftaten ist. Auch verdienen es die Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt, sie vor Vandalismus [zu] schützen, auch deswegen, weil sie als Steuerzahler täglich hart arbeiten, um der Stadt Einrichtung und Pflege öffentlicher Anlagen und Einrichtungen zu ermöglichen“ (S.8). Aus der Kriminalstatistik ergibt sich hingegen, dass der Schaden, der 2014 durch Sachbeschädigungsdelikte entstanden ist, sehr gering ist – am Gesamtschaden durch Kriminalität in Frankfurt macht er einen Anteil von unter 0,05% aus. Der Schaden aus „Sonstigen Straftatbeständen nach StGB“, worunter auch Sachbeschädigungsdelikte fallen, ist 2014 um 52,9% im Gegensatz zum Vorjahr zurückgegangen. Zum Vergleich: Wirtschaftskriminalität machte 2014 56,3% des Gesamtschadens aus, nämlich etwa 103 Mio. €. Ein Sicherheitskonzept, dass sich auf dieses Kriminalitätsfeld konzentriert, würde den Frankfurter Steuerzahler wohl um ein Vielfaches mehr entlasten.
Insgesamt lässt sich der Einschätzung, dass Frankfurt „eine sicher sichere Stadt“ (S.2) sei, nur zustimmen. Gleichzeitig zeigt sich, dass die Schwerpunktsetzung der CDU nicht an den wirklichen Gefahrenpotentialen des städtischen Alltags orientiert ist.
Aufbauend auf der überhöhten Darstellung von Kriminalität in Frankfurt in den Medien wirken die Ausführungen der CDU wie eine politisch instrumentalisierte Dramatisierung. Dass das Papier ohne belegte Bezüge auf Statistiken und Wissenschaftliche Erkenntnisse auskommt, verstärkt diesen Eindruck noch.
Es scheint, in Auseinandersetzung mit den Fakten, als ob die CDU unter dem Deckmantel der Gefahrenabwehr ihre eigenen Vorstellung, wie, von wem und in welcher Art und Weise städtischer Raum genutzt werden sollte, durchzusetzen versuchen.
2. Die rechtlichen und stadtpolitischen Implikationen der Vorschläge der CDU-Fraktion Frankfurt
Auffallend im „sicherheitspolitischen Positionspapier“ der CDU-Fraktion Frankfurt ist, dass wenig explizit gesagt, aber viel unterschwellig gefordert wird. Durch das ganze Dokument zieht sich die unterschwellige Annahme der CDU-Fraktion, alleine definieren zu können, welches Verhalten in der Stadt Frankfurt erwünscht und welches unerwünscht ist. So soll beispielsweise öffentlicher Alkoholkonsum im Bahnhofsviertel teilweise untersagt werden (S.9) – nicht hingegen am Friedberger Platz, wo es in der Vergangenheit zu vehementen Anwohnerprotesten gegen den Freitagsmarkt kam. Auffällig ist hierbei, dass sich diese beiden Konsumorte einzig durch ihr Klientel, nicht jedoch durch die mit dem Alkoholkonsum einhergehenden negativen Nebeneffekte (Vermüllung, wildes Urinieren etc.), unterscheiden. Während im Bahnhofsviertel vor allem sozial Prekäre und Suchtkranke öffentlich Alkohol trinken, trifft sich im Nordend wöchentlich die gehobene Mittelschicht Frankfurts.
Es liegt somit die Annahme nahe, dass soziale Konflikte nicht als solche benannt werden, sondern als Sicherheitsprobleme gelöst werden sollen. Sozial unerwünschtes Verhalten wird kriminalisiert und Menschen, die aus dem Raster fallen, werden verdrängt. Dabei sollte der öffentliche Raum allen Menschen gleichermaßen offen stehen und allen zugänglich sein, solange keine strafrechtlich relevanten Abweichungen damit einhergehen.
Soziale Probleme werden nicht gelöst, indem man das Ordnungsrecht so anpasst, dass unerwünschte Personen und Verhaltensmuster ausgeschlossen werden!

Um ihre ordnungspolitischen Vorstellungen durchzusetzen, schlägt die CDU-Fraktion vor, den öffentlichen Raum verstärkt per Videoüberwachung zu kontrollieren (S.9). Die CDU stellt dabei die These auf, dass bereits die Gegenwart von Videotechnik Straftaten verhindern kann“(S.9).
Diese Annahme wird nicht belegt und ist zudem wissenschaftlich zumindest umstritten (vgl. bspw. Brandt 2004: Wirkungen situativer Kriminalprävention). Außerdem wird mit keinem Satz erwähnt, dass durch Videoüberwachungsmaßnahmen grundsätzlich quantitativ immer mehr unbescholtene Bürgerinnen und Bürger in ihren Grundrechten verletzt werden als tatsächlich Delinquenten aufgezeichnet werden. Diese Maßnahmen sind somit regelmäßig als unverhältnismäßig einzustufen.

Die grundlegende Haltung der CDU-Fraktion Frankfurt – entscheiden zu können, welches Verhalten im öffentlichen Raum legitim sei – zeigt sich auch in ihrer ganz eigenen Interpretation politischer Grundrechte. So steht in dem Positionspapier: „Die CDU-Fraktion (…) wird sich gemeinsam mit Magistrat und den Sicherheits- und Ordnungsbehörden auch weiterhin dafür einsetzen, dass die Menschen in dieser Stadt von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung ungehindert Gebrauch machen können. Nach unserer Überzeugung obliegt es in einer rechtsstaatlichen Gesellschaft ausschließlich den Gerichten und nicht etwa dem Einzelnen, darüber zu entscheiden, ob die Meinung Andersdenkender vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt ist oder nicht.“ (S.10)
Hier liegt offenbar ein juristischer Irrtum in Bezug auf die Reichweite des Grundrechts der Versammlungsfreiheit und der Reichweite des Rechts auf freie Meinungsäußerung vor. Diese umfassen nicht nur das Recht zu sagen oder zu zeigen, welche Haltung man in politischen und gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen einnimmt, sondern auch das Recht des Einzelnen öffentlich kundzutun, dass sie oder er mit einer von einer anderen Person vertretenen Meinung gerade nicht einverstanden ist. Die CDU-Fraktion verkennt offenbar, dass diese Grundrechte vor allem Abwehrrechte gegen den Staat bilden, und entgegenstehende Meinungsäußerungen anderer Bürger und Bürgerinnen gar nicht unbedingt dazu geeignet sind, diese Grundfreiheiten einzuschränken. Eine Demonstration in Frankfurt, die sich einem PEGIDA-Aufzug entgegenstellt, kann sich – ebenso wie PEGIDA selbst – auf diese Grundrechte berufen, ohne damit die Grundrechtsausübung von PEGIDA einzuschränken. Die CDU entfernt sich mit ihrer, wenn auch nur sehr kurzen und wenig präzisen, Argumentation von dem Boden der Verfassung.
Ein letztes Beispiel für problematische implizite Annahmen, die sich im Positionspapier finden lassen, stellt die unterschwellig rassistische Grundstruktur dar. Dies wird nicht explizit ausformuliert, die Argumentationsführung ist aber offensichtlich strukturell rassistisch.
Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Der Punkt „Bewältigung von Armutseinwanderung“ im Dokument ist ein Paradebeispiel wie wenig gesagt, aber viel gemeint wird. Zum einen erscheint es uns bereits prinzipiell fragwürdig in einem sicherheitspolitischen Papier den Punkt „Armutseinwanderung“ aufzunehmen. Dies ließe sich nur rechtfertigen, wenn man davon ausginge, dass „kriminelle Ausländer“ eine besondere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit in Frankfurt darstellen würden. Warum die CDU-Fraktion Frankfurt dieses Thema aufgreift, bleibt im Dokument selbst dann auch vage: Die im Zusammenhang mit der zunehmenden Armutseinwanderung festzustellenden Probleme sind von der Stadt Frankfurt nicht alleine zu lösen.“ (S.8) Was diese Probleme sind, wird im Unklaren gelassen. Dass hier offenbar auf Phänomene wie „lagerndes Betteln“, „Alkoholkonsum im öffentlichen Raum“ oder auch „aggressives Betteln“ abgestellt werden soll, liegt nahe, da genau diese Punkte im nächsten Absatz aufgegriffen werden. Die CDU-Fraktion Frankfurt bedient damit rassistische und auch antiziganistische Stereotype über sogenannte „Armutszuwanderer“. Anstatt hier die sozialpolitische Problematik obdachloser, strukturell benachteiligter oder einfach verarmter Menschen in Frankfurt zu diskutieren und nach Lösungsansätzen zu suchen, die eine Hilfe für die betroffenen Menschen darstellen, soll auch hier über die Sicherheitspolitik ein soziales Problem „gelöst“ werden.
Wenn der Frankfurter Ordnungsdezernt im FR-Interview zum Erscheinen des „sicherheitspolitischen Positionspapier“ ausführt: Nein, es ist auch nicht das Ziel, ein klinisch reines Bahnhofsviertel zu haben. Dann wäre es nicht mehr das Bahnhofsviertel, wie viele Frankfurter es ja auch mögen. Diese Internationalität und diese Kiezigkeit – sagt man das überhaupt? – das ist einmalig und authentisch für unser Bahnhofsviertel.“, zeigt sich diese Denkstruktur in perfider Art und Weise. Ein klinisch reines Bahnhofsviertel ist nicht möglich, weil dann die „Internationalität“ verloren ginge. Der hier implizit aufgezeigte Zusammenhang zwischen der Anwesenheit von Ausländern und der Nicht-Sauberkeit des Bahnhofsviertel ist mehr als fragwürdig und bringt die kritisierte implizite Argumentationsstruktur des „sicherheitspolitischen Positionspapiers“ auf den Punkt:

Die Sicherheit der Frankfurter Bürgerinnen und Bürger wird permanent mit ordnungspolitischen und sicherheitspolitischen Maßnahmen gegen das Verhalten abweichender, anderer Gruppen verteidigt: Menschen, die als Alkoholiker, Drogenabhängige, Ausländer etc. eingeordnet werden, und sich scheinbar nicht den von der CDU erwünschten sozialen Normen anpassen, finden in dem Frankfurt, das sich die CDU-Fraktion Frankfurt wünscht, keinen Platz.

Am 5.5.2015 will die CDU-Fraktion Frankfurt im Westend mit dem Frankfurter Ordnungsdezernenten Markus Frank (CDU) darüber diskutieren, wie sicher Frankfurt ist. Wir empfehlen Ihnen, ihre Grundannahmen noch einmal zu überdenken und ihre Sicherheitspolitik im Sinne einer wirklich „weltoffene[n] und liberale[n] Stadt“ (S.2) zu überarbeiten und zu redefinieren.

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